Aktuelles Börsengespräch mit Matthias Schmidl: „Augen zu und durch.“

Aktuelles Börsengespräch mit Matthias Schmidl: „Augen zu und durch.“

 

Der Start ins Börsenjahr 2020 verläuft dramatisch. Die Ausbreitung des Coronavirus zu einer weltweiten Pandemie hat an allen Handelsplätzen rund um den Globus zu historischen Kursverlusten geführt. Die betroffenen Staaten und die Zentralbanken steuern aktuell mit gewaltigen Summen und Hilfspaketen dagegen. Aber die wirtschaftlichen Zeichen stehen auf Rezession, viele Branchen sind von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit bedroht.  Seit wir mit Matthias Schmidl, dem Leiter der Wertpapierabteilung der Sparkasse Regensburg unser vierteljährliches Börsengespräch führen, hat es schon einige Komplikationen gegeben. Aber diese Krise ist anders und wirft – nicht nur bei Aktienbesitzern – viele Fragen auf.  Wir müssen reden – natürlich im Börsengespräch.  

 

Lieber Herr Schmidl, wissen Sie, was unser ehemaliger stellvertretender Vorstandsvorsitzender, Herr Dr. Rudolf Gingele einmal zu mir sagte, als wir über die Finanzkrise von 2008/2009 und die Gegenmaßnahmen mit Basel III sprachen?

Nein. Aber irgendwas sagt mir, dass sie es mir gleich verraten.   

 

Er sagte: Wenn der Mist geflogen kommt, dann kommt er aus einer Richtung, aus der wir ihn nicht erwartet haben. Ist das Coronavirus genau dieser Mist, von dem er sprach, der berühmte „Schwarze Schwan“?

Lieber Herr Lutz, die Ereignisse in der Finanzkrise halte ich nicht unbedingt für einen schwarzen Schwan. Die Krise, die jetzt durch den Coronavirus entstanden ist, hingegen schon. Die Finanzkrise war eine aus Fehlentwicklungen in der Finanzwirtschaft entstandene und gewissermaßen hausgemachte Krise. Für die derzeitige schwierige Situation kann man eigentlich niemanden verantwortlich machen. Eine Pandemie zählt definitiv zu einem sehr unwahrscheinlichen Ereignis mit dem man nicht rechnen konnte….. und ist damit für mich ein astreiner „schwarzer Schwan“.

 

Dr. Ulrich Kater, der Chefvolkswirt der Dekabank, spricht von einer Blitzrezession, die nun die ganze Weltwirtschaft erfasst hat und noch weiter um sich greifen wird. Die Verluste an den Börsen sind wahrlich historisch. Wie wahrscheinlich ist es, dass wir, wie von einigen Markteilnehmern erhofft, eine schnelle Erholung sehen werden? Hat der Markt überreagiert? 

Fakt ist, dass die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft enorm sein werden. Die Nachholeffekte werden aber auch hoch sein, so dass nach einer Normalisierung der Lage auch wieder positive Signale kommen werden. Was die Aktienmärkte betrifft, werden wir wohl keine V-förmige Erholung sehen. Die Märkte werden in den nächsten Wochen versuchen den Boden auszuloten und wenn man dann wieder etwas mehr Sicherheit hat, wie es in den nächsten Monaten im Hinblick auf das wirtschaftliche Leben weitergeht, dann werden die Börsen sich wieder auf die fundamentalen Daten besinnen und den Weg nach oben antreten.

Die Schwierigkeit an der derzeitigen Entwicklung liegt an der Unkalkulierbarkeit der nächsten Wochen und Monate. Aktienanalysten versuchen anhand künftiger erwarteter Gewinne die Unternehmen zu bewerten und einen „fairen“ Wert zu bestimmen. In der aktuellen Situation sind aber sämtliche künftigen Gewinn- oder der Verlustentwicklungen nicht zu prognostizieren und das macht es so schwer in der Bewertung. An der Stelle kommt hinzu, dass bei derartigen Marktverwerfungen auch noch Emotionen in Spiel kommen und dann passiert das, was wir in den letzten Tagen an den Börsen gesehen haben.

 

Auch in der Krise gilt der alte Satz: Nicht realisierte Verluste sind keine Verluste. Nehmen wir mal an, unsere Leser haben Ihre Ratschläge der letzten Jahre befolgt und kräftig in Aktien, Wertpapiere und Fonds investiert. Natürlich nicht mit geliehenem Geld oder Vermögen, auf das sie kurzfristig angewiesen sind. Ist es angesichts der Lage immer noch sinnvoll, cool zu bleiben und seine Positionen zu halten? Allein der DAX hat ja immerhin bis zu 40% zu seinen historischen Höchstständen verloren. Da könnte der ein oder andere schon mit dem Mauszeiger zucken. Was raten Sie unseren Klein- und Großanlegern?

So schwer das momentan ist, aber „Augen zu und durch“. In allen vorangegangenen Krisen war ein Verkauf in den angespannten Tagen immer die falsche Entscheidung. Zeit muss man natürlich schon mitbringen und die sollte bei Aktienanlagen mindestens fünf Jahre und darüber sein. Wer sein Geld vor fünf Jahren in einen weltweit anlegenden Aktienfonds investiert hat, ist derzeit immer noch leicht im positiven Bereich. Am Markt für festverzinsliche Wertpapiere sind die Kurse aktuell stark unter Druck. Hier gilt ebenfalls: Durchhalten, das normalisiert sich wieder.

 

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung generell ein? Eine große Wirtschaftskrise ist zu erwarten, ganze Schlüssel-Industrien sind auf Eis gelegt, das Leben steht fast überall still und die ersten Unternehmen melden Insolvenz an, Aber ist denn schon ausgemacht, dass sie so schlimm wird und so lange andauert wie anno 1929? Die Welt und die Börsen haben sich seitdem doch ganz schön verändert.

Spannend wird allerdings sein, wie die Staaten weltweit mit der extremen Ausweitungen der Staatsverschuldungen umgehen werden. Nachgelagert zur Finanzkrise hat uns 2011 auch die Staatschuldenkrise ereilt. Nun gut, aber jetzt lösen wir erst mal die aktuelle Situation und in dieser reagieren die Staaten (zumindest die europäischen) ja absolut richtig.

Die Reaktion der Politik und der Notenbanken ist derzeit einzigartig und es besteht die berechtigte Hoffnung, dass das ausreicht, um diese Phase zu überstehen und nicht in eine lang angelegte Rezession zu steuern! Die Insolvenzen die wir derzeit sehen, waren mit Ansage. Hier war die Lage ohne Corona-Krise schon mehr als angespannt.

 

Einige mutige Markteilnehmer sprechen schon wieder davon, dass jetzt ein idealer Einstiegspunkt an den Börsen erreicht ist. Das setzt natürlich auch entsprechend liquide Mittel voraus und so mancher bangt auch um seinen Job. Ist jetzt Cash King oder sollte man das ein oder andere Investment wagen? In Krisenzeiten wie diesen gibt es ja immer auch vermutetet Gewinner, wie zum Beispiel Pharma oder E-Commerce. Und was sollte man dabei beachten?

Die schwachen Tage an den Börsen sind definitiv gute Einstiegszeitpunkte. Aber das muss man sich natürlich auch den Mut dazu haben und dann noch den notwendigen Anlagehorizont mitbringen.  An diesen Tagen herrscht oft sehr schlechte Stimmung und das regt nicht gerade zu Käufen an.  Für den „normalen“ Privatanleger, der gerne investieren möchte, empfehle ich in den nächsten Monaten  in Tranchen in einen breiten weltweit anlegenden Aktienfonds zu investieren. Idealerweise dann noch langfristig mit einen Ansparplan kombiniert. Wenn die Basis dann steht, kann man noch Branchen beimischen, aber Vorsicht, nicht zu speziell werden.

 

Herr Schmidl, vielen Dank für das aktuelle Interview. Wir bleiben bis zum nächsten Börsengespräch an der Sache dran!

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