INTERVIEW INTERNATIONALE KURZFILMWOCHE REGENSBURG: Kurzfilm und Schule

eingestellt von Fabian Lutz Social Media Manager a.D. am 2. März 2018

Die neuen Technologien und sozialen Netzwerke haben das Sehverhalten der Jugendlichen – der sogenannten Generation YouTube – grundlegend verändert. Ihre Mediennutzung ist stark fragmentiert. Dank mobiler Geräte können zu jeder Zeit und an jedem Ort Videos, Clips und Filme konsumiert werden. Die Internationale Kurzfilmwoche hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein schülergerechtes Programm zusammenzustellen, das die Kids für das Medium Film sensibilisiert und so für Filmkunst und Kinokultur begeistert. Die Sparkasse Regensburg bildet jedes Jahr viele junge Menschen aus. Gleichzeitig bieten wir nicht nur Perspektiven, sondern vor allem auch moderne Finanzdienstleistungen für junge Kunden an, wie zum Beispiel Mobile Banking mit der App, Klicksparen und die Instant-Überweisung KWITT von Handy zu Handy. Jedes Jahr veranstalten wir auf Facebook und Youtube den Videowettbewerb „Sparklasse“, bei dem Abschlussklassen mit kreativen Filmbeiträgen tolle Preise gewinnen können. Gute Gründe also, „Kurzfilm und Schule“ mit einem Sponsoring zu unterstützen. Denn Medienkompetenz wird in den kommenden Jahren eine wichtige Komponente der Bildungsarbeit sein. Um das Projekt vorzustellen und besser zu verstehen, haben wir im Vorfeld mit den Projektverantwortlichen gesprochen: Cindy Michel, Gabriel Fieger und Martin Mühlich

 

Hallo Cindy, Martin und Gabriel! Ihr seid dieses Jahr bei der Internationalen Kurzfilmwoche für das Projekt Kurzfilm und Schule zuständig. Wie seid ihr dazu gekommen? Seid ihr selbst so filmbegeistert – oder reizt euch eher der pädagogische Aspekt?

Cindy: Ich bin durch Alex Lins von der Medienfachberatung Oberpfalz zur Kurzfilmwoche gekommen. Ich arbeite als Medienreferentin für die Stelle und habe so auch Alex kennengelernt. 2017 hat sie mir den Tipp gegeben, dass die Kurzfilmwoche eine medienpädagogische Begleitung für ihr Schulprogramm suche. Das wiederum fand ich super und meldete mich bei Festivalleiterin Insa Wiese. Prompt hatte ich den Job und darf auch heuer wieder gemeinsam mit Schulklassen tolle Filme sehen und diese dann mit ihnen diskutieren sowie interpretieren. Aber natürlich bin ich auch sehr film- und kinobegeistert. Schon als Kind hing ich so oft wie möglich vor der Glotze und das beste Geschenk waren immer Kinokarten, mit 16 habe ich mit Freunden das erste Mal einen Film gedreht und irgendwann war klar, dass ich das auch irgendwie studieren würde. Der pädagogische Aspekt dabei ist das i-Tüpfelchen, vielleicht sogar der Oscar zum Stück, der Watson zu seinem Sherlock. Denn, was kann es Besseres geben, als die Möglichkeit zu haben, junge Leute für deine Passion zu begeistern? Ihnen zu zeigen, wie mannigfaltig das Thema Film sein kann, mit ihnen Erzählweisen oder Bildästhetik durch Kamera, Zelluloid und Kinosäle zu diskutieren. Und wenn der Funken dann noch überspringt, ist das ganz großes Kino!

 

 

Martin: Ich bin dazugekommen, weil mich Kino in seiner Gesamtheit interessiert und ich einen Einblick hinter die Kulissen bekommen möchte. Die Kurzfilmwoche mit seinem Schulprogramm ist nur ein kleiner Teil von den schier unzähligen Möglichkeiten, die Kino bieten kann. Gerade in einer Zeit, in der man denkt, das Kino sei „tot“.

 

„Wenn der Funken dann überspringt, ist das ganz großes Kino!“

 

Gabriel: Für mich ist es nicht nur eine absolute Filmbegeisterung, sondern auch der Gesichtspunkt, direkt in Kontakt mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu treten. Das Medium Film begleitet mich seit Beginn meines Studiums fast alltäglich. Seit drei Jahren bin ich bei mehreren Filmfestivals in verschiedenen Tätigkeiten aktiv (cinEScultura, Alcine – Festival Internacional de Cine, Kurzfilmwoche). Die Möglichkeit, mein langjähriges Engagement in der Jugendarbeit mit dem Film zu verbinden, hat sich dabei jedoch nur selten ergeben. Daher sehe ich bei der diesjährigen Edition des Schüler- und Jugendprogramm eine ideale Möglichkeit, zwei meiner Beschäftigungen miteinander zu kombinieren und hoffentlich das Beste rauszukitzeln.

 

 

Ziel ist es, Medienkompetenz zu vermitteln. Warum ist es aus eurer Sicht gut und sinnvoll, Jugendliche für Kinokultur zu begeistern?

Cindy: Im Angesicht von Streamingplattformen und Co. wirkt das Kino manchmal wie ein sperriges Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit. Vielleicht wie ein Plattenspieler: Man weiß, der Sound ist viel wärmer und das Gerät sieht großartig aus, aber praktischer ist es doch, die Songs jederzeit mit etwa Spotify auf dem Smartphone zu hören. Oder besser, wie ein Kleid mit Reifrock: Irgendwie witzig, aber wer trägt heute noch so etwas? So ähnlich halten es manche mit dem Kino. Wer geht schon noch für einen Film raus, zahlt Geld dafür, dass er in einem Raum mit tütenraschelnden und flüsternden Fremden sitzt, wenn er bequem in Jogginghose, Chips kauend auf dem Sofa fläzend seinen eigen gewählten Film ansehen kann? Aber genau diese bequeme Sicht auf die Welt macht so viel kaputt. Das Kinoerlebnis, in einem dunklen Saal mit anderen Menschen einen Film auf der Leinwand sehen, gemeinsam und doch jeder für sich Emotionen dabei zu empfinden, das ist einzigartig und wird man im eigenen Wohnzimmer so nie erleben.

„Der pädagogische Aspekt dabei ist das i-Tüpfelchen, vielleicht sogar der Oscar zum Stück, der Watson zu seinem Sherlock.“

Gabriel: Insbesondere in Social Media machen täglich neue Clips und Videos die Runde. Doch aufgrund der Masse und Vielfältigkeit ist man auch als „Digital Native“ schnell überfordert, was sich rasch in Form von Reizüberflutung und Fehlinterpretation äußert. Daher sehe ich das „Verstehen“ und „Lesen“ von Filmen als Fähigkeit an, welche gerade für heutige Jugendliche von immenser Wichtigkeit ist. Aus diesen Gründen bieten wir im Rahmen der Kurzfilmwoche Programme mit medienpädagogischen Einsatz an, um den Schülerinnen und Schüler sprichwörtlich das ein oder andere Auge zu öffnen.

 

 

Augen öffnen – auch für die Filmkunst?

Cindy: Absolut. Weil die Filmkunst einfach so spannend ist und nur wer sich mit dem Medium und all seinen Facetten auseinandersetzt, erst in den vollen Genuss kommen kann. Außerdem ist Film mächtig, kann Gefühle wecken und so sogar Massen mobilisieren oder eben ruhig stellen – früher schon extrem gefährlich und heute in Zeiten von Fake-News ebenso. Wer sich nicht gerne manipulieren lässt, kann dem vorbeugen. Wie? Indem er lernt, wie Film funktioniert.

 

Ihr zeigt Klassen aus der Region Regensburg und ihren Lehrern eine Auswahl an Kurzfilmen. Wart ihr bei der Zusammenstellung dabei? Wie viele Filme zeigt ihr? Nach welchen Kriterien seid ihr dabei vorgegangen? Was ist für euch „jugendrelevant“?

Cindy: Ja, wir haben alle drei gesichtet und ausgewählt, bis die Augen flimmerten und der Kopf sich ganz viereckig anfühlte. Beim ersten Schauen habe ich nur darauf geachtet, ob mich der Streifen berührt, ob etwas hängenbleibt – egal was. Danach habe ich die „Hängenbleiber“-Shorts noch einmal gesichtet und nach Themen geguckt, die für Jugendliche relevant sein könnten – eigentlich alles, was den Coming-of-Age-Film betrifft: erste Lieben, erster Sex, erste Bands, erste Drogenerfahrungen, Eltern-Kind-Konflikte, falsche Freunde, Mobbing und ähnliches. Außerdem war mir wichtig, dass die Themenbereiche Krieg, Flucht, Rassismus sowie neue Medien in den einzelnen Programmen wieder auftauchen. Des Weiteren achtete ich auf filmische Stilmittel oder ob es einen Streifen gibt, der die Filmgeschichte in irgendeiner Art und Weise aufgreift. Und ein guter Genre- sowie Ländermix war Pflicht.

 

 

Martin: Wir haben uns die Programme intern aufgeteilt. Ich war insbesondere für das Programm „Deutsch Mittel- und Oberstufe“ zuständig. Hier sind es etwa sechs bis sieben Filme; von Dokumentation über Animation, Experimental oder Fiktion ist alles dabei. Eine gesunde Mischung ist meiner Meinung nach auch wichtig, um es kurzweilig und unterhaltsam zu machen. Relevant sind im Prinzip alle Themen die eben in diesem Alter eine Rolle spielen: Coming-of-age, Liebe, Vertrauen, Mobbing aber auch politisch-gesellschaftliche Themen wie Flucht, Migration. Natürlich gehört aber auch der Spaß mit dazu!

 

„Kinokultur in den schulischen Kontext einordnen, um zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen.“

 

Gabriel: Das Interesse und die Einladungen zu unseren Programmen haben die räumliche Dimension der Region Regensburg sogar überschritten. Die Lehrerinnen und Lehrer nehmen zum Teil Wege bis aus Passau auf sich, um Programme mit ihren Klassen wahrzunehmen. Insgesamt haben wir zehn Programme (Deutsch, International, Englisch, Französisch, Spanisch und Kindergarten). Pro Programm zeigen wir Pi mal Daumen zwischen 75 und 90 Minuten. Die jeweilige Vorstellung gestaltet sich unterschiedlich zwischen sechs und acht Kurzfilme. Wir haben uns bemüht, eine Auswahl an Filmen auf die Beine zu stellen, die nicht nur in der Machart (verschiedene Genres: Experimental, Doku, Spielfilm oder Animation) ein facettenreiches Spektrum abdeckt, sondern insbesondere politisch, kulturell oder sozial relevante Themen zu wählen, die wir sowohl persönlich als Brennpunkt sehen, aber auch von den Lehrerinnen und Lehrern vorgeschlagen wurden. Aktuelle weltgeschichtliche Ereignisse wie Rassismus, Migration, Mobbing, Homosexualität, Feminismus, familiäre Konflikte und so weiter… Die findet man jeden Tag nicht nur auf dem Schulhof, sondern auch in den Lebenswelten unserer Jugendlichen. Daher ist es uns ein Anliegen, die Kinokultur in den schulischen Kontext einzuordnen, um zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen.

 

 

Wie wird das Angebot von den Lehrern angenommen? Wie viele Klassen haben sich angemeldet? Gibt es Favoriten, also Filme, die besonders begehrt sind oder bekommt jede Klasse das gleiche Programm zu sehen?

Gabriel: Das Angebot wird sehr gut angenommen, wobei es gerade noch zu früh ist zu sagen, wie vielen Schülerinnen und Schüler wir dieses Jahr die Türen zu unseren Altstadtkinos öffnen dürfen und welches Programm am beliebtesten sein wird. Die erste Mail ging bereits vor Weihnachten an die Lehrkräfte, Ende Januar wurden die Schulen auf postalischen Weg nochmals informiert und seit Mitte Februar, besitzen die Lehrerinnen und Lehrer Infomaterial zu den verschiedenen Vorstellungen. Je nach akuten Brennpunkten in den Klassen ist es uns möglich, individuell abgestimmte Programme mit den Lehrbeauftragten zu erarbeiten. Daher liegt uns der enge Kontakt sehr am Herzen, um das Beste auf die Beine zu stellen. Jede Klasse hat nach Erfahrung andere Schwerpunkte. Während bei einer Klasse, der thematische Fokus auf Mobbing abzielt, stößt man bei einer anderen Klasse auf sprachliches Interesse.

 

„Der große Vorteil des Kurzfilms ist es, dass er in einer Sprache spricht, die von den Jugendlichen verstanden und akzeptiert wird.“

 

Wie reagieren die Schüler? Auf Youtube und Co sehen die doch jeden Tag die geilsten Pranks und Stunts, drehen selbst auf dem Schulhof ein Video und schneiden es gleich Instastoryfertig auf der Smartphone App. Inspiriert sie der gute alte Kurzfilm und was ziehen sie für sich da raus?

Cindy: Naja, die meisten Videos auf Social-Media-Foren sind ja Shorts, daher kenne sie den kurzen Film besser als viele Ältere. Inwiefern der tatsächliche Kurzfilm sie inspiriert kann ich nicht sagen. Was aber in Workshops und eben solchen Diskussionsrunden deutlich wird: Jugendliche heute haben richtig viel Ahnung und Verständnis von der Technik.

 

 

Martin: Ich glaube, der Film, den man schnell dreht und ins Netz stellt hat eine andere Funktion. Da geht es oft um soziale Zugehörigkeiten und Rollenkämpfe; wer hat die coolsten Aufnahmen, wer das verrückteste Video. Ich bin mir nicht sicher, ob der Inhalt wirklich einen hohen Reflexionsgrad hat. Insbesondere bei einer so hohen Quantität. Die Kurzfilmwoche ist für den Schüler eine Veranstaltung der Schule und so wird das auch wahrgenommen. Da sollte man sich glaub ich nichts vormachen. Der Kurzfilm ist hier eher Werkzeug, um alltägliche Themen anzusprechen und zu diskutieren. Der große Vorteil des Kurzfilms ist es, dass er in einer Sprache spricht, die von den Jugendlichen verstanden und akzeptiert wird und die eben nicht „oberlehrerhaft“ wirkt.

 

„Erfahrungsgemäß gibt es sehr philosophische bis hitzige Debatten.“

 

Apropos lehrerhaft. Ihr bietet zu den Filmen auch eine „medienpädagogische Begleitung“ an. Wie hat man sich das vorzustellen? Bekommen die Schüler bereits im Vorfeld Informationen, unterbrecht ihr den Film an interessanten Stellen? Oder wird am Ende eine Diskussion moderiert?

Cindy: Wir wollen, dass Jugendliche nicht nur die Filme ansehen können, sondern auch die Chance haben, diese zu diskutieren und gemeinsam im Kino zu interpretieren. Es gibt kein festes Modell, wie so etwas abläuft, das kommt immer auch auf die Kids und den Referenten an. Ich versuche das Programm in drei Blöcke aufzuteilen, um pro Einheit etwa zwei Filme zu zeigen, über die wir dann direkt im Anschluss sprechen. Meistens entstehen daraus dann richtig tolle Diskussionen.

 

Gabriel: Genau, die Lehrkräfte bekommen bereits im Vorfeld Information, um die Filme thematisch und inhaltlich aufzuarbeiten. Nach der Vorstellung eines Filmes besteht die Möglichkeit, das Programm zu stoppen, um den Film in Begleitung einer Medienpädagogin zu „analysieren“. Das intensiviert den Kinobesuch und evoziert erfahrungsgemäß sehr philosophische bis hitzige Debatten. Das Procedere ist natürlich oft abhängig, von den Vorstellungen der Lehrerinnen und Lehrer bzw. der Reaktionen im Publikum. Ein hohes Maß an Flexibilität ist stets gefordert.

 

Vielen Dank für das Gespräch! Wir sind sehr gespannt und wünschen euch Erfolg und viele gute Filme, Diskussionen und Anregungen!  

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




Enter Captcha Here :