AKTUELLER GASTBEITRAG DEKA: Das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien

Die katalanische Regionalregierung will gegen den Willen der spanischen Regierung am 1. Oktober 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten. Der Streit der Katalanen mit der spanischen Regierung schwelt schon seit langer Zeit. Unter dem Franco-Regime wurde die katalanischen Kultur bis hin zum Gebrauch der katalanischen Sprache unterdrückt. Nach dem Ende des Regimes gab es massenhafte Demonstrationen in Katalonien für eine katalanische Autonomie, die mit dem Autonomiestatut von 1979 ein Ende fanden. Eine schon beschlossene Reform des katalanischen Autonomiestatuts wurde 2010 im nachhinein von der heute regierenden Partido Popular unter dem damaligen Oppositionsführer Rajoy verhindert. Seither gärt es im Verhältnis zwischen Madirid und Barcelona.

 

Verhärtete Fronten

Am 20. September beschlagnahmte die – in Katalonien ohnehin verhasste – Polizei „Guardia Civil“ rund 10 Millionen Stimmzettel und verhaftete etwa ein Dutzend Angestellte der katalanischen Regierung, die an der Vorbereitung des Referendums beteiligt waren. Damit ließ die spanische Regierung den Konflikt mit den Befürwortern einer Unabhängigkeit Kataloniens eskalieren. Die Regierung in Madrid will das Referendum verhindern, wenngleich sie bislang vor einer weiteren Eskalation, beispielsweise der Entlassung der katalanischen Regionalregierung, zurückscheut. Auch die andere Seite – die katalanische Regionalregierung – bleibt auf Konfrontationskurs. Nach deren Willen soll das Referendum wie geplant am 1. Oktober stattfinden.

Dabei hätte die spanische Regierung die Abhaltung des Referendums durchaus dulden können, denn die politische Stimmungslage ist bei weitem nicht so eindeutig, wie es oftmals dargestellt wird: In den Umfragen der letzten Monate bekräftigten zwar rund 70 % der Befragten, am Referendum teilnehmen zu wollen. Doch für die Unabhängigkeit wollten höchstens 47 % stimmen. Damit läge die Zustimmung für die Unabhängigkeit bei gerade einmal rund 33 % der katalanischen Bevölkerung. Mit der jüngsten Aktion der spanischen Regierung könnte dieser Anteil aus Protest und Wut jedoch steigen.

 

Bisherige Aufgabenteilung

Im Vergleich zu den deutschen Bundesländern gesteht das katalanische Autonomiestatut der Region deutlich mehr Rechte zu. Die Katalanen besitzen eine regionale Gerichtsbarkeit und eine eigene Polizei. Sie bestimmen u.a. über die Landwirtschaft und Fischerei, Soziales und Gesundheit und die Förderung von Kultur, Sport und Tourismus. Größte Streitpunkte im aktuellen Konfikt sind die Finanzhoheit und die Frage, ob der Begriff „Nation“ auf die Katalanen Anwendung finden darf. So argumentieren die Autonomiebefürworter, dass Katalonien – mit einem Anteil von 19 % am spanischen Bruttoinlandsprodukt immerhin die wirtschaftsstärkste Region Spaniens – zuviel für den Gesamtstaat zu zahlen habe: angefangen von den Steuereinnahmen bis hin zu den Sozialabgaben. Zumindest in den finanziellen Fragen sollte sich aber aus unserer Sicht ein Kompromiss erzielen lassen.

 

Keiner kann gewinnen

Im Konflikt zwischen der spanischen Zentralregierung und der katalanischen Regionalregierung kann es keine Gewinner geben. Der spanische Ministerpräsident Rajoy regiert mit einer Minderheitsregierung, die auf Stimmen der Regionalparteien angewiesen ist. Ein scharfer Kurs gegenüber den Katalanen könnte auch zu Verstimmungen mit anderen Regionen wie dem Baskenland führen. Rajoy wandelt auf einem schmalen Grad. Sollte er mit Polizeigewalt versuchen, das Referendum zu verhindern, könnte das zu einer Verstärkung der Separationstendenzen führen. Ein Austritt Kataloniens würde nicht nur die Wirtschafts- und Finanzkraft Spaniens empfindlich schwächen, sondern könnte auch wieder Zweifel an der Schuldentragfähigkeit des Landes aufkommen lassen. Aber auch für Katalonien wäre eine Unabhängigkeit zumindest aus wirtschaftlicher Sicht kein Gewinn. Mit dem Austritt aus dem Königreich Spanien würde Katalonien gleichzeitig auch die Europäische Union verlassen. Das bedeutet, dass die katalanischen Unternehmen keinen freien Zugang mehr zum heimischen spanischen und zum europäischen Markt hätten. Entsprechend kristisch stehen die katalanischen Firmen den Unabhängigkeitsbestrebungen gegenüber. Auch der Zugang zu europäischen Hilfs- und Fördertöpfen wäre Katalonien dann verwehrt. Verlieren könnten auch andere europäische Länder, denn nicht nur in Spanien gibt es Unabhängigkeitsbestrebungen. So könnten beispielsweise die flämischen Nationalisten in Belgien in ihrem Abspaltungswunsch beflügelt werden.

 

Fazit

Sollte das Referendum in Katalonien am 1. Oktober durchgeführt werden, werden zwar die Befürworter wohl eine Mehrheit erringen können. Das wird aber voraussichtlich nicht in einer Abspaltung enden, sondern dürfte der Auftakt neuer Verhandlungen über den Autonomiestatus sein. Wären diese erfolgreich, würden im Zuge einer politischen Lösung alle gewinnen. Das akute Risiko besteht in einer zunehmenden emotionalen Aufladung des Konflikts und Fehlreaktionen, die eine Verhandlungslösung erschweren oder gar unmöglich machen könnten.

 

Quelle: Dekabank

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