AKTUELLES BÖRSENGESPRÄCH mit Matthias Schmidl: Kurze Beine vor der großen Wahl?

AKTUELLES BÖRSENGESPRÄCH mit Matthias Schmidl: Kurze Beine vor der großen Wahl?

 

Der gewachsene deutsche Aktienindex DAX glänzte in den vergangenen Monaten mit Rekorden, nur die Angst vor einer chinesischen Immobilienkrise kann ihn aktuell stoppen. Gleichzeitig steht Deutschland vor einem historischen Regierungswechsel. Die 16jährige Regentschaft von Kanzlerin Merkel neigt sich dem Ende – und die Prognosen lassen viele mögliche Koalitionen zu. So oder so sind die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen für die Erben der Ära gewaltig. Coronakrise, Energiewende, Klimawandel und das Auseinanderdriften der sozialen Schichten werden einer neuen Generation von Bundespolitikern wohl alles abverlangen. Was für einen Wahlausgang wünschen sich die Börsianer? Und wovor haben sie vielleicht Angst? Kann am Ende die hohe Inflationsrate die Gesamtlage stärker beeinflussen? Genau die richtigen Fragen für ein Börsengespräch mit Matthias Schmidl, Leiter der Wertpapierabteilung der Sparkasse Regensburg.    

 

Lieber Herr Schmidl, der DAX hat im August zum ersten Mal die Marke von 16.000 Punkten überschritten. Aktuell tendiert der Index wegenfinanzieller Probleme eines großen chinesischen Immobilienentwicklers wieder schlechter. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für diese Höhen und Tiefen?

Es sind die altbekannten Gründe, die den DAX in diese Höhen bewegt haben und weiter steigen lassen. Wir haben hier einmal die starke Erholung der Wirtschaft nach der Corona-Krise, zum anderen die nach wie vor niedrigsten Zinsen, die Alternativanlagen zu Aktien seit längerer Zeit unattraktiv erscheinen lassen. Hinzu kommt, dass Aktien auch wieder in der breiten Bevölkerung eine höhere Akzeptanz bekommen haben. Auch beim Kleinanleger ist nun angekommen, dass eine erfolgreiche Vermögensanlage ohne Aktien nicht mehr möglich ist. Das freut mich natürlich sehr! Spannend ist im Moment die von Ihnen erwähnte Korrektur. Wird auch dieser Rücksetzer nur wieder von kurzer Dauer sein und schnell wieder hoch gekauft werden? Grundsätzlich sind solche Schwankungen nichts Außergewöhnliches. Ich gehe davon aus, dass wir in Richtung Jahresende spätestens wieder höhere Kurse sehen werden.

 

Am kommenden Sonntag, den 26. September 2021, findet die Bundestagswahl statt. In unserem letzten Börsengespräch haben Sie den Satz „Politische Börsen haben kurze Beine“ genannt. Wie schätzen Sie nun kurz vor der Wahl die Auswirkungen auf die Börse ein?

Ich gehe weiterhin davon aus, dass der Wahlausgang nur sehr begrenzten Einfluss auf die Börsen haben wird. Die Notwendigkeit einer Dreierkoalition, in welcher Konstellation auch immer, gilt als nahezu sicher und stellt für die Finanzmärkte kein Problem dar. Einzig eine Beteiligung der Linken könnte kurzfristig für schlechte Stimmung an den Börsen sorgen. Generell gilt: Wirtschaftsliberale Parteien sind an der Börse beliebter als die befürwortenden Parteien eines starken Staates. 

 

Den aktuellen Prognosen zufolge, erfahren die Grünen noch immer den prozentual stärksten Zuwachs aller Parteien. Doch selbst wenn es nicht reichen sollte, sich an der Regierung zu beteiligen, wird das Thema Klimawandel nicht von der Agenda verschwinden. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Maßnahmen gegen den Klimawandel auf den Markt ein?

Eine Regierungsbeteiligung der Grünen würde dem Thema Klimawandel den Turbo einschalten. Aber auch ohne Beteiligung der Grünen wird der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten unsere Welt und insbesondere unsere Wirtschaft, massiv beeinflussen. Es wird in den nächsten Jahren viele Unternehmen geben, die neue Technologien zur Verbesserung des Klimas entwickeln. Hier hat sich die Bezeichnung „Impact“ etabliert. Hierrunter versteht man alles was auswirkungsbezogen auf die Verbesserung der Umwelt, beziehungsweise des Klimas ausgerichtet ist. Dies wird in nahezu jeden Bereich unserer Volkswirtschaft ausstrahlen. Egal wer am Sonntag gewinnt. 

 

Künftig werden nicht mehr 30, sondern 40 Konzerne im DAX gelistet. Welche Entwicklung des Marktes erwarten Sie durch diese Erweiterung?

Grundsätzlich wird der Dax durch die Erweiterung besser diversifiziert und aller Voraussicht nach auch schwankungsärmer. Die Gewinner sind natürlich die „Neuen“, die bereits im Vorfeld rege gehandelt wurden und künftig mehr im Fokus der Anleger stehen.

 

Die Inflation ist derzeit höher, als von der EZB als mittelfristiges Ziel festgesetzt. Die EZB geht im nächsten Jahr von einer Normalisierung der Inflationszahlen aus. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Die Inflationszahlen sind in den letzten Monaten höher als erwartet. Die EZB versucht die Entwicklung derzeit auszublenden und spielt auf Zeit, in der Hoffnung, dass sich die aktuell hohen Inflationszahlen über die nächsten Monate wieder abflachen. Dies wird aber eine ganz spannendes Thema. Sollte diese Hoffnung nicht in Erfüllung gehen und die Inflationszahlen bleiben bis weit ins nächste Jahr auf diesen hohen Niveaus, muss die EZB möglicherweise doch schneller an der Zinsschraube drehen, als eigentlich gewünscht.

 

Lieber Herr Schmidl, vielen Dank für das informative Gespräch!

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