DEKA GASTBEITRAG: Der Brexit geht in die Verlängerung

DEKA GASTBEITRAG: Der Brexit geht in die Verlängerung

 

Einen geregelten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am offiziellen Austrittstermin des 29. März wird es nicht geben. Das britische Parlament hat bis zuletzt das von der britischen Regierung mit der EU verhandelte Austrittsabkommen zum Brexit blockiert. Einen weiteren Höhepunkt erreichte das Brexit-Drama, als der einflussreiche Sprecher des britischen Unterhauses am 18. März kurzfristig die geplante dritte Abstimmung über Mays Deal untersagt hatte: Laut einer 400 Jahre alten Regel dürfe nicht mehrmals über denselben Antrag abgestimmt werden. Um angesichts der anhaltenden Blockade im britischen Parlament einen No-Deal-Austritt am 29. März zu vermeiden, hat die EU die Brexit Regie übernommen.

 

Für die Briten stehen nun zwei neue wichtige Brexit Termine an:

 

  • Wenn das britische Parlament dem Austrittsabkommen (May-Deal) vor dem 29. März zustimmt, wird der Brexit bis zum 22. Mai verschoben, um die Brexit-Gesetzgebung abzuschließen.
  • Stimmt das Parlament dem May-Deal nicht zu, muss UK bis zum 12. April seine neue Brexit-Strategie vorlegen und sich zur Teilnahme an der Europawahl äußern. Ab dem 12. April wäre für die Briten die Vorbereitung für die Europawahl noch machbar.

 

Fahrplan für den Brexit

 

Die dritte Abstimmung über Mays Deal vor dem 29. März wird also zum Dreh- und Angelpunkt des weiteren Brexit Prozesses. Allerdings sind die Hürden für diesen Deal nach wie vor hoch: Zum einen wird der Sprecher des Unterhauses die dritte Abstimmung zum Deal nur zulassen, wenn es May gelingt, den Abstimmungsantrag hinreichend und unkritisch für die EU zu verändern, was den Einfallsreichtum ihrer Berater derzeit wohl extrem herausfordert. Zum anderen bleibt eine Parlamentsmehrheit für den Deal fraglich, auch wenn der Druck für die Austrittsbefürworter hoch ist, den Deal zu akzeptieren. Denn sonst droht eine gänzliche Brexit Absage im Falle einer langen Brexit-Verschiebung (ggf. verbunden mit der Teilnahme an der Europawahl, Neuwahlen und/oder einem Referendum). Sollte Mays Deal abgelehnt werden, will sie das Parlament entscheiden lassen, wie es weitergeht. Vermutlich wird das Unterhaus dann durch Probeabstimmungen nach einer Mehrheit für einen neuen Brexit-Plan suchen, um damit eine weitere Fristverlängerung für den Brexit zu begründen. Dabei wäre Mays Rücktrittsankündigung durchaus denkbar. Unser Hauptszenario bleibt ein Brexit mit Deal. Das Risiko eines ungeregelten No-Deal-Austritts als politischen Unfall ist nicht vom Tisch, es verschiebt sich nur in Richtung 12. April. Seine Wahrscheinlichkeit ist mit der aktuellen Haltung der EU allerdings sehr gering.

 

Was passiert beim No-Deal-Austritt?

Der No-Deal-Austritt hätte viele Dimensionen. Europapolitisch wäre er eine Katastrophe. Wie sollen die Verhandlungspartner EU und UK je wieder an einen Tisch kommen, wenn sich gerade eindrücklich gezeigt hat, dass keine Einigung möglich ist? Der No-Deal-Brexit würde in Europa politisch viel böses Blut schaffen. Die EU und UK würden zwar versuchen, das gefürchtete wirtschaftliche Chaos mit den mittlerweile vorbereiteten, temporären Notfallmaßnahmen einzudämmen. So sollen etwa EU geförderte Programme zur Sicherung des Friedens zwischen Irland und Nordirland weitergehen, in eingeschränktem Maße auch

Flugzeuge, Reisebusse und Lastwagen zwischen der EU und UK weiter verkehren können. Die ganze Palette an Fehlfunktionen würde man aber erst in der Praxis feststellen. An den Finanzmärkten könnten die Aktienkurse wie auch der Außenwert des britischen Pfunds in der Größenordnung von zehn Prozent zurückgehen. Renditen von Bundesanleihen würden nochmals sinken, ebenso der Euro-Dollar-Kurs. Der Goldpreis würde steigen. Notenbanken würden zusätzliche Liquidität bereitstellen und überall dort eingreifen, wo die Finanzmarktstabilität angeschlagen erschiene. Das Wachstum in Euroland würde 2019 anstatt 1,3 Prozent weniger als ein Prozent betragen, in UK wäre der Bremseffekt mit etwa vier Prozentpunkten weniger Wachstum deutlich ausgeprägter. Allerdings werden all diese Reaktionen wohl nur vorübergehender Natur sein. Nach einigen Quartalen dürften sich die britischen und die europäischen Unternehmen und Verbraucher mehr und mehr mit der neuen Situation arrangieren. Neue Produktionsketten würden gelegt, neue Lieferquellen erschlossen, die Geschäftsmodelle angepasst, einige Unternehmen würden aber auch pleitegehen. Das anfängliche Chaos würde zunächst geringer, dann verschwände es. In dieser neuen Welt würden sich durchaus neue Chancen bieten. Die Finanzmärkte würden recht schnell versuchen, durch diese chaotische Zeit hindurch zu blicken. Entsprechend würden die anfänglichen scharfen negativen Marktreaktionen gegen Jahresende 2019 wieder korrigiert werden.

 

Brexit Szenarien

 

Perspektiven

Sich in der privaten Vermögensanlage auf eines der Szenarien Deal/No-Deal-Brexit/Ausstieg aus dem Brexit auszurichten, ist ein reines Glücksspiel. Sicherlich würde ein No-Deal-Brexit für eine Reihe von Monaten die europäischen Aktien und Rentenmärkte deutlich beeinträchtigen, die Marktschwankungen wären beträchtlich. Da UK jedoch nur einen Anteil von zwei Prozent zur globalen Wirtschaftsleistung beisteuert, bleiben die Dinge im größten Teil der Welt so, wie sie bisher waren. Und damit ist der Brexit für eine diversifizierte, auf lange Sicht ausgerichtete Vermögensanlage nichts, mit dem man spekulieren sollte. Aus Sicht der DekaBank ist der geordnete Austritt – über die Verschiebung des Austrittsdatums über den 29. März hinaus und die Annahme des (eventuell veränderten) Deals nach weiteren Abstimmungen – weiterhin die wahrscheinlichere Variante. Aber auch der No-Deal-Brexit ist weiterhin denkbar. Somit bleibt es spannend in einem politischen Drama, das selbst Shakespeare nicht aufregender hätte schreiben können.

 

Brexit-Deal: Worum geht es eigentlich?

Der offizielle Austrittstermin (29. März) des Vereinigten Königreichs (United Kingdom, UK) aus der Europäischen Union (EU) und damit aus dem europäischen Binnenmarkt naht. Da der grenzüberschreitende Handel ohne Binnenmarkt und Zugehörigkeit zu einem Wirtschaftsraum wie EFTA oder EWR umfangreiche Handelsabkommen erfordert, haben sich die britische Regierung und die EU zunächst auf Regeln geeinigt, die unmittelbar nach dem EU-Austritt bis zum Abschluss eines solchen Handelsabkommens gelten sollten. Die Regeln (der „Deal“) sehen vor, dass in dieser Übergangszeit vorerst alles beim Alten bleibt, UK also weiterhin die Handelsgesetzgebung und die Außenzölle der Europäischen Union beibehält. Das soll danach zu großen Teilen im Rahmen einer Zollunion auch so bleiben, sofern nach zwei (mit Verlängerungsoption bis zu vier) Jahren keine für beide Seiten befriedigende Einigung auf ein Handelsabkommen zustande gekommen ist – diese Vereinbarung wird „Backstop“ genannt. Dieser Backstop ist der Grund, warum der Deal bei vielen britischen Abgeordneten auf Widerstand stößt. Sie wollen einerseits garantiert bekommen, dass es zwischen Nordirland und der Republik Irland keine harte Grenze geben wird. Andererseits stören sie sich an der eingeschränkten Handlungsfähigkeit der Briten in der derzeit im Backstop vereinbarten Zollunion. Nachverhandlungen mit der EU zum Backstop scheinen aber aussichtslos. Es wird nicht einfach sein, die Probleme einer Außengrenze auf der irischen Insel für beide Seiten befriedigend zu lösen. Schließlich hat man in Irland zur Beendigung eines jahrelangen Bürgerkrieges die Abschaffung einer fühlbaren Grenze zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verbindlich zugesagt. Wenn die Briten eigene Handelsgesetze machen wollen, dann muss geklärt werden, wie auf der irischen Insel die EU-Gesetze (in Irland) und die neuen britischen Regelungen (in Nordirland) ohne eine sichtbare Grenze nebeneinander Bestand haben können.

 

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Quelle: Dekabank

(c) Fotografie/Charts: Panthermedia/DekaBank

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