Aktuelles Börsengespräch mit Matthias Schmidl: „Es gibt eine Inflation der Vermögenswerte.“

eingestellt von Fabian Lutz Social Media Manager a.D. am 22. Dezember 2017

Das Börsenjahr 2017 ist nun fast zu Ende. Es war geprägt von satten Gewinnen, historischen Höchstständen und vielen interessanten Entwicklungen. „Wir sind zum Optimismus verdammt!“, sagte uns Matthias Schmidl vor genau einem Jahr. Und der Leiter der Wertpapierabteilung der Sparkasse Regensburg sollte wieder einmal Recht behalten: Wer in den letzten 12 Monaten an den Handelsplätzen mitmischte, konnte eigentlich nichts verkehrt machen. Anleger wurden trotz aller welt- und geldpolitischen Risiken mit ausgezeichneten Renditen belohnt. Aber das Gestern interessiert den waschechten Börsianer höchstens in sentimentalen Augenblicken. Was wirklich zählt, ist immer die Zukunft. Bleibt 2018 der Himmel weiterhin blau? Oder ziehen bald Wolken auf, erwartet uns gar ein korrigierendes Unwetter in Form einer Inflation? Und was zum Teufel geht da mit dem Kryptogeld? Höchste Zeit, mal wieder mit unserem Aktien-Guru zu sprechen! 

 

Lieber Herr Schmidl, haben Sie selbst schon in Bitcoins investiert?

Leider nein.

 

Trösten Sie sich. Ich bin auch erst viel zu spät und nur mit etwas Spielgeld eingestiegen. Wir müssen also beide wohl doch noch etwas weiterarbeiten! Seit unserem letzten Interview hat der Bitcoin dem Aktienhandel ein wenig die Show gestohlen. Sollte man jetzt doch noch schnell mitmachen? Oder besser auf die neu eingeführten Bitcoin-Futures setzten? 

 

Der Bitcoin erfährt derzeit aufgrund der abenteuerlichen Kurssteigerungen eine riesige Aufmerksamkeit durch die Medien. Und natürlich reizt es jeden spekulativen Investor hier mitzumischen und schnelle Gewinne einzufahren. Allerdings muss man meiner Meinung nach hier strikt unterscheiden. Als Währungsersatz scheidet der Bitcoin aufgrund der extremen Schwankungen aktuell aus, oder möchten Sie, dass ihr Zahlungsmittel für die Anschaffung von Gütern um mehrere zig Prozent pro Tag schwankt? Als spekulatives Investitionsobjekt finde ich den Bitcoin hochinteressant, allerdings ist er hier nichts anderes als eine Wette auf eine Kursentwicklung, die nahezu keinen nachvollziehbaren Marktmechanismen unterliegt. Aufgrund der eher langsamen Abwicklung bei Transaktionen in Bitcoins, würde ich zu börsengehandelten Zertifikaten tendieren, wenn man hier mitmischen möchte.

 

Könnte die Gier nach dem virtuellen Geld sich zu einem realen, systemischen Risiko auswachsen? Es ist schließlich nur all zu menschlich und sehr verlockend, mit nur ein paar tausend Euro Einsatz und null Arbeit vielleicht zum Millionär zu werden!

Ein systemisches Risiko erwächst hieraus (noch) nicht. Dazu sind die Voluminas (noch) zu klein. Aber wie noch in jeder Spekulationsphase wird es Gewinner, aber auch Verlierer geben.

 

Danke für die Warnung! Ich werde versuchen, im richtigen Moment auszusteigen. Zurück zum seriösen Geschäft. Im Bereich Geldwirtschaft bereitet vielen Experten auch die immer noch nicht anspringende Inflation Kopfzerbrechen. Eigentlich müsste die Geldschwemme der Zentralbanken längst Wirkung zeigen. Was ist da los? Sind die alten Finanzmarktgesetze etwa außer Kraft gesetzt? Dafür würde auch das Ausbleiben typischer Wirtschafts-Zyklen sprechen…

 

Sie haben vollkommen Recht, auf den ersten Blick müsste diese Geldschwemme zu einer wenigstens erhöhten Inflation führen. Auf den zweiten Blick sieht man aber, dass dieses viele Geld nicht in der Realwirtschaft ankommt. Durch die enorme Liquidität der EZB werden Anleihen gekauft und die Zinsen somit künstlich niedrig gehalten. Die niedrigen Zinsen helfen natürlich den Unternehmen, aber ein Kreditboom oder Investitionsboom hat dadurch noch nicht eingesetzt. Somit fließt das Kapital nur stark abgemildert in den Kreislauf und die Inflationsraten bleiben in der Folge niedrig.

 

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der in manchen Wirtschaftsmedien verbreiteten These, dass die extrem gestiegenen Immobilienpreise die eigentlich wahre Inflation sind? Denn nur Waren und Dienstleistungen schaffen schließlich echtes Wachstum, nicht aber Häuser und Grundstücke.

Ich bin auch ein absoluter Verfechter dieser Theorie. Die Inflation findet derzeit in den Anlageklassen statt. Neumodisch spricht man hier von Asset-Inflation. Das bedeutet, dass  viele Sachwerte immer weiter im Preis steigen. Hierzu zählen nicht nur die Immobilien, sondern auch Aktien, Gold und vielleicht auch Bitcoins. (zwinkert)

Fakt ist, dass man mit der gleichen Menge an Geld nicht mehr die gleiche Anzahl dieser Werte kaufen kann. Eine Siemens-Aktie bekommen sie nicht mehr für 60€, sondern für 120€, ein Einfamilienhaus kosten nicht mehr 400.000€ sondern 800.000€… Ich würde das schon als Inflation bezeichnen, und zwar als Inflation der Vermögenswerte.

 

Noch ein Kuriosum: Als wir im August sprachen, war der Dollar schwach und der Euro stark. Jetzt, ein knappes halbes Jahr später, ist es genau umgekehrt. Das freut garantiert die deutschen Unternehmen, die ihre Waren im Ausland billiger anbieten können. Braut sich da etwa ein neues Wirtschaftswunder zusammen? 

 

Kursschwankungen hin oder her: 2017 war das Jahr des Euro. Der Dollar war bei 1,05 EUR/ USD einfach überbewertet, was sicher mit der Euphorie um Donald Trump zu tun hatte. Nachdem hier auch Ernüchterung eingekehrt ist und Europa sowohl politisch als auch wirtschaftlich überraschte, sind wir auf einem Niveau angekommen mit dem alle gut leben können. Und trotz allem bleibt es dabei, der Wettlauf um die schwächste Währung geht weiter.

 

Wir haben im Moment immer noch keine neue Regierung, das Projekt Europa ruht solange, die Brexitverhandlungen verlaufen chaotisch, der Nordkoreakonflikt schwelt vor sich hin. Terrorattacken finden regelmäßig überall in der Welt statt und Amerika tut politisch alles, um Russland, den arabischen Raum und Europa zu verärgern. Trotzdem ideale Bedingungen für ein gutes Börsenjahr 2018? Wie ist ihr persönlicher Ausblick? 

 

Weltweit erscheinen die Volkswirtschaften so stark, dass es derzeit nicht nach einem Einbruch oder einen nahenden Rezession aussieht. Natürlich immer vorausgesetzt, es passieren keine unvorhergesehenen Ereignisse, wie eine Eskalation der genannten Konflikte. Für die Börsen wäre ich da mit Blick auf 2018 etwas vorsichtiger. Wir haben derzeit eine unglaublich niedrige Schwankungsbreite an den Märkten. Dies erscheint mir  persönlich etwas trügerisch, da möglicherweise das Risiko an den Aktienmärkten unterschätzt wird. Ich glaube, dass wir uns 2018 wieder auf höhere Schwankungen einstellen müssen und diese fast schon langweiligen Börsen-Bewegungen ein Ende nehmen. Hinzu kommt, dass  die Märkte versuchen, die volkswirtschaftliche Zukunft zu antizipieren. Und da die Gegenwart mehr als rosig aussieht, könnte es durchaus sein, dass man die Zukunft etwas nüchterner einschätzt.

Ich würde sagen, 2018 könnte es durchaus wieder etwas spannender an den Finanzmärkten werden!

 

Klingt gut! Dann freue ich mich schon auf viele gute Interviews und eine extra Portion Nervenkitzel. Vielen Dank, Herr Schmidl für Ihre Zeit und Expertise. Schöne Weihnachten!    

 

 

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