Aktuelles Börsengespräch mit Matthias Schmidl: „Alle blicken jetzt auf den Dezember“

Die letzten Monate eines schwierigen Börsenjahres sind angebrochen. Die Chinakrise und der Brexit haben den Märkten früh ihren Stempel aufgedrückt. Auch die andauernde, expansive Geldpolitik der Notenbanken, der immer wieder aufflackernde Terrorismus und die Kriege in Nahost sorgen für Unsicherheit. Und bald steht auch noch eine Präsidentenwahl in den USA an. Viele neue Fragen seit unserem letzten Gespräch mit Matthias Schmidl, Leiter der Wertpapierabteilung der Sparkasse Regensburg. Zeit nachzuhaken!  

 

Lieber Herr Schmidl, unser letztes Gespräch fand kurz nach dem – für die ganze Welt ziemlich überraschenden –  Brexit statt. Die Bürger Großbritanniens hatten per Referendum abgestimmt und sich gegen einen Verbleib in der EU entschieden, die Börsen und das Pfund befanden sich kurz danach im freien Fall. Sie rieten damals zur ruhigen Hand. Tatsächlich ist der große Crash dann auch ausgeblieben. Alles in Ordnung  also? Oder müssen wir uns noch auf Nachwehen einstellen?

Nun gut. So richtig viele neue Erkenntnisse haben wir in den Wochen nach dem Brexit nicht bekommen. Die Stimmungslage in Großbritannien, aber auch in Europa, war unmittelbar nach der Entscheidung sehr negativ. In den letzten Tagen und Wochen kommen immer wieder Wirtschaftsdaten herein, die auf keinen extremen Einbruch hindeuten. Positiv wirkt hier natürlich das Britische Pfund, das mit dem Brexit stark an Wert verloren und somit die Exporte von der Insel stark verbilligt hat.

Bei den Investitionen sieht man allerdings eine ganz deutliche Zurückhaltung. Viele Unternehmen stellen ihre Planungen in Großbritannien zurück und suchen nach Alternativen im EU-Raum. Die wirtschaftlichen Nachwehen dürften aber erst noch kommen. Bis heute wurde ja immer noch kein offizieller Antrag gestellt. Erst danach beginnen die Verhandlungen über die Bedingungen des Austritts. Erst dann wird man langsam abschätzen können, welche Auswirkungen der Brexit wirklich hat. Bis dahin ist und bleibt es „nur“ ein Votum der britischen Bevölkerung.

 

Ein anderes großes Thema im Markt sind die Leitzinsen. Die FED hat nach einer minimalen Erhöhung (0,25 Punkte) wieder einmal das Stop-Schild gezogen. Die Börsianer an der Wall Street freut es, denn so bleibt das Geld weiterhin schön billig. Die amerikanische Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahlen sind auf einem Tief, nur die Inflation will nicht recht in Gang kommen. Ein kluger Schachzug von Notenbankchefin Yellen – oder ein Risiko? Nach dem Aufschwung kommt ja bekanntlich der Abschwung – und das in den USA normalerweise in 5 Jahreszyklen.

Die FED hat es momentan schwer. Eigentlich kann sie es gar nicht richtig machen. Erhöht sie die Zinsen nicht, verliert sie ihre Glaubwürdigkeit und jeder würde in die Entscheidung hineininterpretieren, dass sich der wirtschaftliche Ausblick für die USA eintrübt. Erhöht sie die Zinsen, könnte dies tatsächlich zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommen. Einige Wirtschaftsdaten deuten an, dass die konjunkturelle Dynamik nachlässt. Und jeder schaut auch auf den von ihnen angesprochenen Zyklus, wir haben schließlich schon einen sehr langen wirtschaftlichen Aufwärtstrend.

Alle Marktteilnehmer blicken jetzt auf den Dezember, wo man die nächste realistische Möglichkeit einer Erhöhung sieht. Ich persönlich glaube, dass wir noch eine Anhebung von 25 Basispunkten sehen, nur um die Glaubwürdigkeit der FED zu rechtfertigen. Ob dies im Dezember passiert, ist schwer zu sagen. Aber insgeheim weiß die FED meines Erachtens, dass es dann eigentlich zu spät ist.

 

Wie will die Notenbank dann in Kürze noch handlungsfähig bleiben?

Handlungsfähig wäre die FED schon noch, sie hat ja die Möglichkeit in einer Rezession die Zinsen, wenn auch nur gering, zu senken und sie könnte wieder ein Aufkaufprogramm für Wertpapiere beschließen. Das letzte Mal hat das gut geklappt. 

Vielleicht ist in diesem Zusammenhang auch ein kurzer Blick nach Japan interessant. Nach neuesten Informationen möchte die japanische Zentralbank die Zinskurve direkt kontrollieren, um die zehnjährigen japanischen Staatsanleihen bei null zu halten. Das wäre ein ziemlicher Tabubruch. Was halten Sie von solchen kreativen, fast schon „planwirtschaftlichen“ Ideen?

Um ehrlich zu sein, kommt mir die japanische Geldpolitik ein bisschen wie ein Experimentierkasten vor. So richtig haben die Maßnahmen in den letzten Jahren, oder  eigentlich Jahrzehnten, nicht gegriffen. Wünschen wir der EZB ein erfolgreicheres Händchen bei ihren Maßnahmen.

 

Die OECD-Experten malen derweil ein düsteres Bild von der Weltwirtschaft in 2017. Auch für Deutschland rechnet man nur noch mit einem Bruttoinlandsprodukt von 1,5 Prozent, also 0,2 Prozentpunkte weniger als erwartet. Das widerspricht allerdings den guten Ergebnissen für Deutschland im laufenden Jahr. Ist da noch genug Brennstoff für eine kräftige Jahresend-Aktien-Rallye? Oder werden die Pessimisten unter den Auguren dem DAX hinten raus die Stimmung verderben?

Gerade die letzten Wochen kommen immer wieder schwächere Prognosen für 2017 auf den Tisch. Das stimmt natürlich nicht unbedingt positiv, allerdings könnten wir mit 1,5 Prozent Wachstum gut leben. Hoffen wir, dass die Prognosen genauso wenig eintreffen wie die der letzten Jahre. Die Energie für die Aktienmärkte kommt in „meiner“ Welt jedoch ohnehin aus der Neubewertung der Anlageklassen und nicht aus einer florierenden Wirtschaftslandschaft und sprudelnden Unternehmensgewinnen. Und vor diesem Hintergrund existiert noch genügend „Brennstoff“… Die Frage ist eigentlich nur, wann er zündet!

 

Jens Weidmann, der Chef der Bundesbank, hat in der ZEIT die EZB dazu aufgefordert die Geldpolitik bald wieder zu normalisieren. Das klingt für mich ein wenig wie das Rufen im dunklen, politischen Walde. Kann die EZB überhaupt noch effektiv handeln und so die Probleme in der Eurozone lösen? Steigende Zinsen und eine harte Aufsicht könnten vor allem Banken in Italien ins Wanken bringen, heißt es. Und das muss Rest-Europa um jeden Preis vermeiden.

Ich befürchte, der Point-of-no-Return ist schon längst überschritten. Jede Zinserhöhungstendenz würde die Staatshaushalte ins Wanken bringen. Gerade haben wir noch über Japan gesprochen. Sehen sie sich mal an, wie lange die Zinsen dort schon auf, beziehungsweise unter Null sind. So etwas könnte auch uns bevorstehen. Entschuldung auf  Kosten der Sparer ist für die nächsten Jahre angesagt. Die charmanteste Lösung für alle Beteiligten wäre eine moderate Inflation oberhalb der 2-3 Prozent-Marke, dann könnte man die Schulden langfristig „weginflationieren“! Aber die Inflation lässt ja derzeit auf sich warten…

 

Zum Schluss noch ein Blick in die Glaskugel: Sehen Sie trotz aller Krisen, Unruhen, Flüchtlingswellen und Wahlkrimis ein positives Licht am Ende des Wertpapier-Tunnels? Bis jetzt haben sich die Börsen im Jahresverlauf – trotz aller Probleme – recht wacker behauptet. Oder reichen einfach weiterhin der Mangel an alternativen Anlegemöglichkeiten und die niedrigen Zinsen aus, um einen stabilen Aufwärtskurs zu etablieren?

Ich gehe davon aus, dass die niedrigen Zinsen und die extremen Bewertungen der anderen Assetklassen die Anleger in die Aktienmärkte treiben. Es dürfte aber noch etwas dauern, bis der Leidensdruck groß genug ist. Gerade der Blick auf die nächsten Monate bleibt sehr schwierig. Die FED muss eine Entscheidung treffen, Trump könnte Präsident werden, 2017 stehen dann in Europa wieder mehrere Wahlen an. Alles Themen, die kurzfristig die Stimmung beeinflussen werden. Das bedeutet aber auch, dass Schwankungen an den Aktienmärkten eine gute Möglichkeit zum Einstieg bieten. Oder man legt alternativ das Geld zu -0,4 Prozent bei der EZB an. Kleiner Spaß am Rande.

 

Das wäre eine wirklich „schmerzhafte“ Strategie! Dann hoffen wir mal, dass viele Regensburger dieses Interview lesen und sich dann bald in der Wertpapierabteilung melden!

Sehr gerne! Wir sind für alle Fragen und Wünsche offen und stehen wie immer mit Rat und Tat zur Seite.

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