Aktuelles Börsengespräch: Matthias Schmidl zur Lage an den Finanzmärkten

Wachsen ist einfach_weißDas Ende eines aufregenden Börsenjahres naht. Seit unserem letzten Gespräch mit Matthias Schmidl, dem Leiter der Wertpapierabteilung der Sparkasse Regensburg, haben sich die Entwicklungen an den Märkten weiter beruhigt, trotz Flüchtlingskrise und Terrorgefahr gab es zum Glück keine größeren Schockeffekte mehr. Positive Signale kamen auch von den internationalen Notenbanken, die weiterhin von befürchteten Leitzins-Erhöhungen absehen. Wie lange noch? Das weiß niemand so genau. Nur eines ist sicher: Irgendwann wird die Phase des billigen Geldes auch wieder vorbeigehen, genau wie die letzten, ruhigen Börsentage im Dezember. Bald bricht die stille Zeit an. Wir müssen noch einmal reden!

 

Lieber Herr Schmidl, das ist unser letztes Börsengespräch 2015. Ihr persönliches Fazit für ein turbulentes Jahr, bitte: Sind Sie insgesamt zufrieden mit den erzielten Ergebnissen? Es war ja nicht immer ganz einfach, den richtigen Weg zu finden.

Einfach war dieses Jahr ganz sicher nicht. Aber einfach ist es an den Finanzmärkten eigentlich nie (zwinkert). Ursprünglich dachten wir tatsächlich nicht, dass 2015 so viele neue Themen mit sich bringen würde. Ich nenne hier nur die wichtigsten Baustellen: Flüchtlingskrise, weltweite Terrorgefahr und -anschläge durch den IS (Islamischer Staat) und die Wachstumssorgen rund um China. Insofern bin ich zufrieden, da wir in unseren offiziellen Prognosen von einen Konsoldierungsjahr ausgegangen sind. Rückblickend ist das dann auch so eingetreten. Aber Sie erinnern sich sicher noch an die allgemeine Euphorie im Frühjahr: Da sah es so aus, als würden wir viel zu konservativ liegen.

 

Aktiengeschäfte sind Zukunftsgeschäfte. Schließlich hofft man auf Gewinne, die noch von Unternehmen gemacht werden müssen. Was sind aus Ihrer Sicht die ganz großen Börsen-Themen fürs nächste Jahr?

Stimmt, Herr Lutz, Sie haben gut aufgepasst! An der Börse wird immer die Zukunft gehandelt. Ich befürchte, dass auch 2016 die Notenbanken die weltweiten Börsen fest im Griff haben werden, was mir eigentlich gar nicht so gefällt. Besser wäre es, wenn wir uns alle wieder auf die fundamentalen wirtschaftlichen Daten konzentrieren würden. Zusätzlich wird auch China weiter im Fokus der Anleger stehen. Hier muss man die Entwicklungen sehr genau beobachten.

 

Stichwort Terror: Erstaunlicherweise haben die Märkte ziemlich gelassen auf die jüngsten Anschläge in Paris reagiert, ähnlich wie Anfang des Jahres auch. Wieso schätzen die Börsianer eigentlich die wirtschaftlichen Gefahren durch den IS (Islamischer Staat) so gering ein?

Hier gehen die Marktteilnehmer wirklich sehr nüchtern vor. Das liegt daran, dass es aus Sicht der Finanzmärkte bis dato (noch) keine realen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen gibt. Aus meiner Sicht ist das etwas kurz gedacht, da uns die Vorkommnisse definitiv die nächsten Jahre weiterhin beschäftigen werden. Eine Parallele sehen wir übrigens auch bei der Flüchtlingsthematik in Europa. Auch sie wird von den Börsen im Moment eigentlich komplett ignoriert. Dabei geht, neben den Auswirkungen auf das tägliche Leben, die größte Gefahr sicherlich von einer aus der Flüchtlingskrise heraus resultierenden politische Instabilität Europas aus, was für die weitere wirtschaftliche Entwicklung äußerst negativ wäre.

 

Worauf kommt es in der Flüchtlingsfrage jetzt entscheidend an?

Es ist von enormer Wichtigkeit, dass sich Europa zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik und einem fairen Verteilungsmechanismus durchringt, sonst werden die Herausforderungen der Zukunft nur schwer zu bewältigen sein. Nachdem an diesem Punkt nur wenig Fortschritte gemacht werden, gibt allerdings die gemeinsame Front gegen den Terror Hoffnung auf ein geeintes Europa und damit auch auf ein weltweites Bündnis gegen die Bedrohung durch den IS.

 

Treibende Kraft hinter den steigenden Kursen der letzten Monate ist nach Ihrer Einschätzung die EZB (Europäische Zentralbank) und ihr großes Aufkaufprogramm, das sicher noch eine Weile andauern und für weltweite Liquidität sorgen wird. Wann ist eigentlich der Punkt erreicht, an dem die stimulierenden Geldschleusen definitiv geschlossen werden müssen?

Sollte irgendwann in den nächsten Monaten die Inflationszahlen anziehen und die wirtschaftliche Entwicklung in Europa weiter positiv verlaufen, dann könnte der Druck auf die EZB, die Geldschleusen zu schließen, schnell zunehmen. Mit Blick auf den niedrigen Ölpreis und die günstigen Rohstoffpreise sieht es jedoch nicht nach einer zügig anziehenden Inflation aus. Wir gehen davon aus, dass die enorme Liquiditätsflut der EZB bis mindestens 2018 so weitergeht. Das aktuelle Aufkaufprogramm wurde ja bereits bis ins Jahr 2017 gesteckt. Und der nächste Schritt wird dann die Aufstockung des Volumens sein. Und eines ist auch klar: Der europäischen Zentralbank geht das Geld nie aus!

 

Auch bei den FED-Leitzinsen lagen Sie dieses Jahr durchweg goldrichtig mit Ihren Prognosen. Der zeitweise befürchtete Zinsschritt blieb aus – wie schaut es perspektivisch mit der „forward guidance“ für 2016 aus?

Wir erwarten nächste Woche tatsächlich den ersten Zinsschritt um 25 Basispunkte (neues Zielband 0,25% – 0,5%). Ich denke dieser Schritt ist für die Glaubwürdigkeit der Notenbank sehr wichtig. Seit Beginn des Jahres wird immer wieder eine Erhöhung diskutiert. Sollten nun diesen Monat wieder keine Taten folgen, würde man wohl stark an der Nachhaltigkeit der FED (Federal Reserve System) zweifeln. Sie haben es bereits erwähnt: Viel interessanter ist der Ausblick der FED, also die Ansage, wie es künftig mit den Zinsen in den USA weiterlaufen soll. Hier gehen wir davon aus, dass eher moderate Worte gewählt werden und kein unmittelbar folgender Zinsschritt angekündigt wird.

 

Und ab wann wird es wieder richtig spannend?

Auf alle Fälle im Jahresverlauf 2016. Es gibt Marktteilnehmer, die von einem zügigen Anstieg der Leitzinsen in den USA bis 1,5% ausgehen, andere erwarten sogar eine komplett entgegengesetzte Notenbankpolitik. Hier wird sogar aufgrund der nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik in den USA über ein QE (Quantitative Easing) 4 Programm (Aufkaufprogramm der FED) gemunkelt. Ich kann diesem Lager durchaus etwas abgewinnen, da ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass die USA dem Rest der Welt in Punkto Zinsen davonlaufen werden. Die Auswirkungen auf den US-Dollar, auf die US-Exportwirtschaft und nicht zuletzt auf den US-Staatshaushalt wären fatal.

 

Seit ein paar Tagen ist der Yuan mit der Aufnahme in den Club der Weltwährungen geadelt worden. Ist das nicht etwas seltsam, nach dem China-Crash vor wenigen Monaten? Woher kommt das Vertrauen? Schließlich deckt der Yuan nur 0,1 Prozent der weltweiten Devisenmarkttransaktionen ab…

Naja diese Entscheidung kommt weniger von der Bedeutung des Yuan für die Weltwirtschaft, vielmehr geht es darum dass China in den letzten Jahren zu einer der mächtigsten Wirtschaftsmächte aufgestiegen ist und dies nun gewürdigt wird. Somit hat diese Entscheidung vorerst nur symbolische Bedeutung. Sollte sich der Yuan in den nächsten Jahren weiter Vertrauen erarbeiten und auch von anderen Ländern als Reservewährung für die eigenen Devisenreserven in Erwägung gezogen werden, dann ist der Yuan wirklich im „Club der Weltwährungen“ angekommen.

 

Alles klar. Zum Schluss noch eine private Frage. Nach diesem Jahr ist endgültig klar: Sie bewahren stets einen kühlen Kopf, auch wenn es mal börsentechnisch hitzig wird. Woher nehmen Sie eigentlich diese Gelassenheit?  Jahrelange Erfahrung oder liegt das in den Genen?

Also um ehrlich zu sein, waren gerade die Schwankungen des zweiten Halbjahres schon echt heftig und da sieht es dann innen drin gar nicht gelassen und ruhig aus. In diesen Momenten denke ich dann aber an den coolen Spruch meiner Kinder: „Hey, chill dein Leben“. Das hilft dann immer ganz gut, um wieder runterzukommen (lacht)!

 

Also doch die Gene! Lieber Herr Schmidl ich bedanke mich herzlich für die vielen schönen, aufregenden, lehrreichen und informativen Gespräche mit Ihnen – und wünsche Ihnen und Ihrer Familie „gechillte“ Feiertage und ein frohes Fest!

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie und natürlich auch allen Kunden und Freunden der Sparkasse Regensburg ebenfalls schöne Weihnachten!

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