SPARKASSE KUNST: Nicht ohne Papier – Gastbeitrag von Frau Dr. Agnes Tieze

Inspirieren ist einfach (Glühbirne)_weißDr. Agnes Tieze ist Direktorin des Kunstforums Ostdeutsche Galerie in Regensburg. Als Kunstexpertin ist sie seit einigen Jahren Mitglied des Kunstbeirates der Sparkasse Regensburg und unterstützt die Kunstsammlung der Sparkasse – alles Papierarbeiten – weiterzuentwickeln. Anlässlich der Jubiläumsausstellung „Einblicke 2 – 20 Jahre Kunstsammlung der Sparkasse Regensburg“ in der Sparkassenzentrale in der Lilienthalstraße setzt sie sich mit dem Thema „Kunst auf Papier – Kunst aus Papier“ auseinander.

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Es geht nicht ohne Papier

In der bildenden Kunst geht es nicht ohne Papier. Erste Ideen, Kompositions- und Farbversuche, architektonische Entwürfe oder die Anfangsplanung eines Bildhauers finden auf Papier statt. Seit jeher atmen Skizzen und Studien eine besondere Aura, denn sie versetzen uns noch lange Zeit nach ihrer Entstehung zurück in das Atelier des Künstlers, zurück in den Moment der frühen kreativen Auseinandersetzung. Selbst Zeichnungen, die völlig oder weitgehend unabhängig von einem Entwurfsprozess entstanden sind, lassen den Blick über die Schulter des Künstlers zu. Sie vergegenwärtigen stets den Vorgang der Ausführung: das mal tastende, mal energische, mal schwunghafte, mal akribische Führen des Zeichenmaterials auf dem Papier. Seit der frühen Neuzeit hatte die mit Bleistift, Kohle, Tusche oder Aquarellfarben festgehaltene Komposition an Autonomie gewonnen und als eigenständiges Kunstwerk Eingang in die Wohnung der Sammler gefunden. Zuvor waren es die druckgrafischen Arbeiten – Holzschnitte, Kupferstiche, Radierungen und seit dem beginnenden 19. Jahrhundert auch Lithografien –, die dank der vervielfältigenden Technik das Bedürfnis nach Bildern für den privaten und mobilen Gebrauch stillten. Der Begriff Kupferstichkabinett belegt noch heute den einstigen Ausgangspunkt für den Bestand von Grafischen Sammlungen in Kunstmuseen.

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Der Grundton schwingt mit

Papierarbeiten – die Kunst auf Papier ebenso wie die Kunst aus Papier – haben aber noch einen anderen Reiz: Sie arbeiten mit dem Papier. Während in der Tafelmalerei der Bildträger den Untergrund stellt, der in der Regel gänzlich von einer Grundierung und häufig von mehreren Lasurschichten oder von einem mehr oder weniger pastosen Farbauftrag bedeckt wird, schwingt bei Arbeiten auf Papier dessen Grundton fast immer mit. Dieser kann von reinweiß bis chamois changieren oder auch eine grüne, graue, blaue, gelbe oder braune Farbigkeit besitzen. Ganz bewusst wird das Papier in die Komposition mit einbezogen, wenn die Blickführung des Betrachters die Vervollständigung nicht bezeichneter Partien impliziert. Fanny Jacquiers kachelartige Multizeichnung „Im Wachsen“ nutzt diesen Mechanismus, indem einzelne Blätter fragmentarisch bleiben und separiert kaschiert sind, in der Gesamtschau aber ein Ganzes, eine Landschaft, bilden. Auch die Beschaffenheit von Papier – seine Struktur und seine Saugfähigkeit – übt einen entscheidenden Einfluss auf das künstlerische Endprodukt aus. Glatte Papiere unterstützen den akkurat gezogenen Tuschestrich, raue Papiere saugen hingegen die Aquarellfarbe förmlich auf. In Barbara Sophie Höcherls „Boote“ scheinen die wässrigen Farben selbst mit den Naturmaterialien, die die Künstlerin subtil eingebaut hat, zu einem reduzierten, aber prägnant-poetischen Bildeindruck zu verschmelzen.

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Der Raum wird erobert

Mit der Kunst der Collage und dem Informel eroberte das Papier schließlich auch den Raum. In der Sammlung der Sparkasse Regensburg wirkt etwa die vierteilige Arbeit „Morgenröte“ von Paula Jinn-No wie ein Relief, indem ein Schwall übereinander geschichteter schwarzer und überwiegend roter Papiere eine gewisse Festigkeit oder gar eine andere Materialität suggerierend nach vorne ragt. Filigraner kommen die schwarzen Papierschnitte von Hans Lankes daher, die mit Umraum und Durchblicken spielen. Wahrlich raumgreifend ist schließlich die wandfüllende Installation „Alpha“ von Jasmin Schmidt in einem der drei erstmals bespielten Besprechungszimmer der Sparkassenfiliale. Die Wandfläche gewinnt an Tiefe durch den Trompe-l’œil-Effekt, der in der Regel in der Malerei verankert ist, und die verschiedenen, nach unten hin größer werdenden Aktenfächer auf den Betrachter zulaufen lässt. Interessant ist, dass Jasmin Schmidt hierfür kein gewöhnliches Papier, sondern die Rückseite von Schullandkarten – eine „Nesselstoff-Papierverklebung“ – verwendet hat.

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Kreative Auseinandersetzung fasziniert

Dieses breite Spektrum an künstlerischen Ansätzen, Möglichkeiten und Ergebnissen bedingt einen Teil der Faszination für die kreative Auseinandersetzung auf und mit Papier. Einen anderen Teil evozieren latent das Wissen um die traditionelle Herstellung von Papier in einem im Wortsinn „schöpferischen“ Akt und sicher auch die Filigranität von Papier.

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