Aktuelles Börsengespräch: Matthias Schmidl zur Lage an den Finanzmärkten

Seit unserem letzten Blogbeitrag auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise haben die Börsen Achterbahn gespielt. Wir waren zum Glück gut angeschnallt, denn unser Experte Matthias Schmidl, Leiter der Wertpapierabteilung der Sparkasse Regensburg, hatte uns rechtzeitig vor den großen Ferien vor Turbulenzen gewarnt. Trotzdem hat das Aktien-Beben in China alle ordentlich durchgeschüttelt, die Verunsicherung ist groß. An diesem Donnerstag geht es vielleicht wieder rund, falls die FED, wie von einigen Marktteilnehmern prognostiziert die Zinsen anhebt. Und dann startet nächste Woche auch noch die Bewerbungsphase für das Planspiel Börse, an dem traditionell viele Regensburger Schulklassen mitmachen. Die wollen informiert sein. Wir müssen reden!

 

Lieber Herr Schmidl, ein kleiner Scherz muss sein: Wie war Ihr Griechenland-Urlaub, hatten Sie genug alte Drachmen dabei?

Herr Lutz, Sie kennen mich doch schon ein wenig besser. Ich bin auf Nummer sicher gegangen und war auf Zypern. Hier liegt die Staatskrise bereits ein paar Jahre zurück und das Land ist wieder auf einem guten Weg. Wünschen wir den Griechen eine ähnliche Entwicklung!

 

Sie Fuchs! Im Ernst, ein kurzer Blick zurück. Sie lagen mit Ihren Prognosen richtig und Griechenland ist aufgrund der europäischen Einigung in der Schuldenfrage und den globalen Marktturbulenzen aus dem Fokus der Anleger und Medien gerückt. Wie sehen Sie dort die aktuelle Situation? Kann da noch was nachkommen? Oder war es das jetzt vom griechischen Patienten? Die Börse dort erholt sich ja gerade leicht.

Wenn die Vergangenheit uns etwas lehrt, dann dass die Griechen immer für eine Überraschung gut sind. Es stehen ja wieder Neuwahlen an und es droht eine Patt-Situation, was für eine stabile Regierungsbildung nicht unbedingt förderlich ist. Kurzum: Kommen kann natürlich immer etwas, aber die negativen Nachrichten aus Griechenland haben erst mal ihren Schrecken verloren.

 

Auf dem Höhepunkt der Krise haben Sie mir und den Lesern des Blogs der Sparkasse Regensburg „turbulente Tage“ versprochen. Was dann folgte, war eine echte Sause. Zwischenzeitlich dachte ich, ich muss Sie für eine Sondersendung zurück nach Hause holen. Die Börsen in China brachen unerwartet drastisch ein und rissen alle anderen Indizes mit in die Tiefe, der DAX fiel phasenweise unter 10.000 Punkte.

Die Schwankungen waren wirklich beachtlich und um ehrlich zu sein, war es mir in der Kürze der Zeit zu heftig. Beim DAX ging es fast bis auf 9300 Punkte zurück und die Märkte waren extrem verunsichert. Der Hauptgrund war die Entwicklung in China, da haben sie Recht. Man muss aber ganz klar unterscheiden. Die Märkte sind verunsichert wegen der wirtschaftlichen Entwicklung in China und nicht wegen der Entwicklung an den chinesischen Börsen. Hier hat sich über das letzte Jahr eine massive Spekulationsblase gebildet und diese hat sich in den letzten Wochen und Monaten entladen. Natürlich haben dabei viele Chinesen Kapital verloren, das nun nicht mehr für den Konsum zur Verfügung steht. Aber grundsätzlich darf man Börsenentwicklung und Wirtschaftsentwicklung nicht gleich setzen, zumal viele Indices in China trotz der massiven Verluste der letzten Zeit immer noch höher stehen, als vor einem Jahr.

 

Hat der Einsatz der chinesischen Volksbank (geschätzte 1.500.000.000.000 Yuan wurden in den Markt gepumpt) tatsächlich Schlimmeres verhindert? Ist Asien über den Berg, oder besser gesagt: Haben wir die Talsohle schon erreicht?

Zur weiteren Entwicklung kann ich eigentlich nichts sagen, da man sich hier derzeit nicht auf fundamentale Daten berufen kann, sondern die chinesischen Börsen derzeit eher von Angst und Gier getrieben sind. Die wirtschaftliche Entwicklung und vor allem die Aussichten haben die weltweiten Börsen in große Unsicherheit versetzt. China war in den letzten Jahren mit Wachstumsraten zwischen 7-10 Prozent per annum. der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft. Gerät dieser ins Stottern, könnte das durchaus Auswirkungen auf die europäische und amerikanische Wirtschaft haben. Offiziell geht die chinesische Regierung weiter von einem Wachstum von etwa 7 Prozent aus. Wirft man aber einen Blick auf einige andere Kennziffern, kann man ins Zweifeln kommen, ob dies so stimmen kann. Und genau das speiste die Nervosität an den weltweiten Börsen und führte zu den besagten Turbulenzen.

 

Experten warnen, dass dem großen gelben Riesen – trotz immer noch beachtlicher Devisenreserven – harte Zeiten ins Haus stehen. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft? Vor allem die deutsche Autoindustrie ist ja mit etwa einem Drittel der Umsätze dort im Feuer. Die letzten Zahlen aus Deutschland stehen nach wie vor auf grün.

Gerade Deutschland als Exportnation würde es stark treffen. China ist ein wichtiger Handelspartner der Bundesrepublik: eine nachlassende Dynamik Chinas würde auf die wirtschaftliche Entwicklung drücken. Schätzungen gehen davon aus, dass das für die deutsche Wirtschaft circa 0,25 Prozentpunkten weniger Wachstum bedeuten könnte. Die deutsche Autoindustrie würde im Fall der Fälle besonders hart landen. Derzeit scheint es aber so, als könnte eine positive Entwicklung in Europa den jüngsten Einbruch in China etwas abpuffern.

 

Dabei sitzt der Börse der nächste Schrecken schon im Nacken. Das große Monster heißt Zinswende. Gehen Sie auch davon aus, dass an diesem Donnerstag die FED die Zinsschraube moderat nach oben schrauben wird?  Die Wirtschafts-Daten aus USA lassen eigentlich keinen anderen Schritt zu? In unserem letzten Gespräch Ende März waren Sie da noch eher skeptisch.

Also da bleibe ich dabei. Ich erwarte keinen Zinsschritt in den USA. Wie ich bereits im März erläutert habe, wird sich die FED es ganz genau überlegen, wann und wie sie an der Zinsschraube dreht. Schaut man genau auf die Wirtschaftsdaten, dann kommt man zum gegenteiligen Ergebnis. Seit dem Auslaufen des Aufkaufprogramms der Amerikanischen Notenbank hat die wirtschaftliche Dynamik stark nachgelassen und die Prognosen wurden in den letzten Monaten immer wieder zurückgenommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FED das Risiko eingeht, mit einer Zinserhöhung die wirtschaftliche Dynamik weiter zu dämpfen.

 

Falls die Zinsen doch angehoben werden: Was würde dann passieren? Manche Medien rufen ja schon den Anfang vom Ende des Kapitalismus aus. Die Welt sei vollkommen überschuldet, schon die kleinste Deflations-Brise könnte dann eine weltweite Pleitewelle heraufbeschwören. Was halten Sie von solchen Ideen? Haben wir alle viel zu lange über unsere Verhältnisse gelebt? Oder können wir aus dem Schlamassel wieder mit eigener Kraft herauskommen?

Die Märkte haben ja nicht vor einem oder zwei Zinsschritten um je 0,25 Prozent Angst. Man befürchtet, dass dann die Zinsen bis in einen Bereich von 2-3 Prozent ansteigen könnten und folglich die Liquidität in den Rentenmarkt wandert und an den Aktienmärkten fehlt. Die Auswirkungen einer möglichen Zinserhöhung würden sich wahrscheinlich auf nahezu alle Assetklassen auswirken. Die Aktienmärkte haben Angst vor der schwindenden Liquidität, die Rentenmärkte müssten sich nach Jahrzehnten von Zinsrückgängen neu orientieren. An den Devisenmärkten würden sich die Kapitalströme Richtung USA massiv verstärken, die Emerging Markets müssten wohl mit enormen Kapitalabflussen rechnen. Sie sehen, Herr Lutz, diese Entscheidung hätte weitreichende Auswirkungen. Aber wie gesagt, ich persönlich glaube nicht daran. Zu den andern Fragen müssten wir mal einen eigenen Blogbeitrag schreiben… ein sehr interessantes Thema, das aber den Rahmen dieses Gesprächs sprengen würde.

 

Einverstanden. Zurück nach Europa. Jeden Tag flimmern neue Bilder von in Deutschland ankommenden Flüchtlingsströmen über die Bildschirme. Europa ist darüber zerstritten wie nie, die Werte der Gemeinschaft sind in Gefahr. Grenzen werden geschlossen. Was für Auswirkungen wird das auf den europäischen Wachstumskurs haben? Und warum erlebt der Euro inmitten dieses Chaos ein kleines Come-Back?

Es ist enorm schwer einzuschätzen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die aktuellen Entwicklungen für Europa haben werden. Fakt ist: Es wird Europa verändern! Und zwar massiv. Die Herausforderung derzeit ist sicher enorm und irgendwie ist es extrem schwer zu einer Meinung zu kommen, so geht es zumindest mir. Rein wirtschaftlich gesehen, können wir in Deutschland die frischen Arbeitskräfte sehr gut gebrauchen, zumal viele anscheinend sehr gut ausgebildet sind. Zudem sind wir, demographisch gesehen, ohnehin auf dem absteigenden Ast und benötigen dringend Zuwanderung, um unseren zukünftigen Wohlstand zu sichern. Also wenn wir es schaffen, die Flüchtlinge gut und vor allem schnell zu integrieren, kann daraus durchaus viel Positives entstehen. Wenn allerdings alle Flüchtlinge nach Deutschland wollen, könnte es bald etwas viel werden.

Europa steht nach der Staatschuldenkrise nun vor der nächsten großen Herausforderung. Und nebenbei: Mit der Euroentwicklung hat das eigentlich gar nichts zu tun. Der Euro stieg die letzten Tage und Wochen an, weil man Zweifel an Zinserhöhungen der FED hegt.

 

Aha, wieder etwas gelernt. Sie kennen das: Am Ende unseres Gespräches bewerfe ich Sie mit Rohstoffen. Vor allem natürlich, weil ich mit meiner persönlichen Meinung bezüglich der Ölpreisentwicklung ausnahmsweise einmal richtig lag. Sie sahen ihn mittelfristig bei 80 Dollar – doch tatsächlich liegt er jetzt immer noch unter 50 Dollar pro Barrel. Viel verrückter finde ich jetzt, dass der Goldpreis auch unter 1100 Dollar pro Unze gefallen ist. Auch Goldminenaktien sind gerade extrem günstig. Gleichzeitig haben sich wichtige Industrierohstoffe, wie zum Beispiel Kupfer verbilligt. Irre ich mich, oder sind das insgesamt widersprüchliche Signale?

Stimmt, ich war eigentlich der Meinung, dass wir wieder einen steigenden Ölpreis sehen sollten. Allerdings war hier noch nicht bekannt, dass China mit dem Wachstum zu kämpfen hat. Hier schließt sich nämlich der Kreis: Die Nachfrage aus China hat anscheinend tatsächlich nachgelassen und führt zu niedrigeren Rohstoffnotierungen. Dies trifft sowohl den Ölpreis als auch viele Industriemetalle.

Bei Goldpreis ist das so eine Sache, eigentlich möchte an meinen, dass der Preis aufgrund der abenteuerlichen Geldmengen steigen müsste. Allerdings haben wir keinerlei Inflationsdruck und das führt dazu, dass der Goldpreis um den genannten Preis pendelt. Man findet also für jede Entwicklung eine Begründung. (zwinkert)

 

Jetzt werden Sie fast schon salomonisch. Herr Schmidl, ich bedanke mich wie immer für das informative und spannende Gespräch. Bis bald!

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Kommentare


Peter schreibt am 23.01.2016 um 11:44 Uhr:

"Die Nachfrage aus China hat anscheinend tatsächlich nachgelassen und führt zu niedrigeren Rohstoffnotierungen. Dies trifft sowohl den Ölpreis als auch viele Industriemetalle."
Kleiner Irrtum, China hat im 4. Quartal mehr Rohöl eingeführt als im Vorjahresquartal. Der Grund für den niedrigen Ölpreis liegt wesentlich in einem Angebotsüberhang. Saudi-Arabien und die USA liefern sich einen Verdrängungswettbewerb. Saudi-Arabien versucht auch den Iran nach Aufhebung des Embargos den (Wieder)-Einstieg ins Ölgeschäft durch Dumpingpreise unmöglich zu machen. Das geht nicht ewig so weiter....