SPARKASSE KUNST: „Dieser Dix… ist zum Kotzen!“

Genau so, liebe Leser, urteilte ein renommierter Kritiker des vorigen Jahrhunderts über Dix‘ Bild „Der Grabenkrieg“ von 1923. Jedoch: Viele angesehene Künstler der 30er Jahre verteidigten ihn genauso vehement. Dieses Bild – aber nicht nur dieses – und auch der Mann selbst, polarisierten und provozierten die Nachkriegsgesellschaft ganz ungemein.

 

Und heute? Warum setze ich mich – 90 Jahre nach Entstehung und etwa 50 Jahre nach dem Tod des Künstlers – mit ihm auseinander und lasse mich von ihm faszinieren?

 

Diese Frage stellte sich mir, als ich vor kurzem von der Leiterin der Ostdeutschen Galerie, Frau Dr. Agnes Tieze, dazu eingeladen wurde, im Rahmen der Vortragsreihe „inKOGnito im Museum“ über Otto Dix und seine Verarbeitung von Realität und Realismus zu sprechen.

 

Folgendes fällt mir dazu ein:

 

Da ist der Erste Weltkrieg als „Urereignis“ des 20. Jahrhunderts. Das Foto eines nahen „Verwandten“ meiner Mutter in schneidiger Uniform mit Säbel, war meine Eintrittskarte in die Beschäftigung mit diesem ersten industriellen Krieg der Massen. Für mich ein großes Ahnen und Schauern – für Otto Dix wohl das prägende Erlebnis als junger Mann. Mit dreiundzwanzig Jahren meldet er sich 1914 als Freiwilliger zum Kriegsdienst, an dem er dann insgesamt drei Jahre lang als MG-Schütze an vorderster Front teilnimmt – und erstaunlicherweise auch überlebt (anders als seine Malerkollegen Franz Marc und August Macke).

 

Wie konnte ein solch hochbegabter Mensch, der die Todesmaschinerie und das unermessliche Leid jahrelang miterlebt – aber selbst auch in hohem Maße dann mitverursacht hat – psychisch und physisch ertragen und später als großer Künstler verarbeiten?

 

Die Antwort fällt jemandem, der die Grauen einer militärischen Auseinandersetzung nicht am eigenen Leib erfahren hat, nicht leicht. Dix hat es – wohl auch zum Selbstschutz – geschafft, eine emotionale Distanz zwischen sich und das Erlebte zu legen. Trotzdem verfolgten ihn die unerträglichen Bilder des von Menschenhand entfachten Infernos, bis er sie sich wie in einem einzigen, kathartischen Akt ungeschminkt und brutal von der Seele malte. Gerade auch in einer und gegen eine aufdämmernde Zeit, die das Übel bereits wieder vergessen und das Sterben zum Heldentum verklären wollte. Genauso schonungslos – und oft bis zur Groteske verzerrt – zeigt er die Verlierer des vaterländischen Krieges und der daraus resultierenden sozialen Umwälzungen: Krüppel (Helden?!), Prostituierte, Bordellszenen, Halbwelten.

 

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Mit den Jahren werden seine Darstellungen ruhiger (1929-1932, „Der Krieg“, in altmeisterlicher Darstellung als Triptychon, gemalt in Lasurtechnik auf Holz) und finden schließlich einen elegischen, persönlichen Abschluss mit dem Bild „Flandern“ (1934).

 

Eines ist gewiss: Dix‘ Werke zwingen durch ihre Ausdruckskraft zum Betrachten und Nachdenken.

 

Nehmen Sie sich doch auch einmal Zeit für Otto Dix. Sie werden es nicht bereuen!

 

Herzlich, Ihr Dr. Rudolf Gingele

Mitglied des Vorstands

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