Börsenweisheiten: Glückspillen oder Nervengift?

Börsenweisheiten: Glückspillen oder Nervengift?

Ein aktueller Gastbeitrag von Felix Plinke

 

Börsenweisheiten kennt heutzutage jeder. Sie werden oft mit Bauernregeln verglichen. Auch auf mich haben die Erkenntnisse eine gewisse Faszination. Ich stelle mir oft die Frage, was an den Weisheiten dran ist und inwieweit sie überhaupt in der heutigen Zeit anwendbar sind.

Felix PlinkeAls Bachelorstudent im fünften Fachsemester und Praktikant der Sparkasse Regensburg besitze ich eine gewisse Affinität gegenüber der Börse. Dank meiner Arbeit in der Abteilung Kommunikation habe ich täglich mit News rund ums Geld zu tun. Auf unserem Kanal Twitter bin ich neben dem Hauptautor zuständig für die Tweets der Sparkasse, bei denen sich alles um Geld, Immobilien und Wirtschaft dreht.

Im Monat Mai hat sich dabei eine Industrie besonders in den Vordergrund geschoben: die Pharmabranche. Bei all den vielen Meldungen von Übernahmen verliert man schnell den Überblick.

Da kam mir die Idee: Der spannende Übernahmekampf ist eine gute Gelegenheit, einerseits die Branche zu beleuchten und andrerseits die Börsenweisheiten auf ihre Anwendbarkeit zu überprüfen.

„Sell in May and go away, but remember to come back in September”

Der Weltmarktführer Pfizer will seinen britischen Rivalen Astra Zeneca übernehmen. Bereits im Januar legte der Viagra-Hersteller ein erstes Angebot vor, das abgelehnt wurde. Selbst ein zweites Angebot, über angeblich eine neue Rekordsumme, wurde abgelehnt. Jetzt ruhen die Verhandlungen erst einmal. Ohnehin sieht das britische Gesetz eine drei monatige Sperre nach Ablaufen der Angebotsfrist vor. Danach darf vorerst nur Astra Zeneca aktiv werden. Dies wäre passenderweise im September.

Interessant wird zu sehen sein, wie die Aktionäre auf den geplatzten Deal reagieren. Verkaufen die Aktionäre ihre Aktien und spekulieren auf niedrigere Kurse im September?  Bevor sich jedoch ein Aktionär für einen Einstieg oder Ausstieg entscheidet, müssen erst einige Parameter bestimmt werden. Der Pharmariese könnte mit Astra Zeneca seinen Vorsprung zur Konkurrenz vergrößern und seine Führungsposition stärken. Das würde meiner Meinung nach die drei wichtigsten Kriterien für Anleger steigern: Absatz, Umsatz und Gewinn.

Ebenfalls wird darauf geachtet, ob sich Pfizer auch längerfristig mit Astra Zeneca verstärken kann. Der Hersteller für Viagra könnte durch die neu erworbenen Kompetenzen auch neue Produkte entwickeln. Das wiederum würde die Position als Marktführer weiter stärken. Die Folge eines neuen Patentes hätte auch eine Steigerung von Umsatz und Gewinn zur Folge.

Die Börsenweisheit lässt sich jedoch nicht unbedingt auf das Beispiel übertragen. Es ist ein Zufall, dass dieser Zeitraum mit den Umstrukturierungen der Pharmabranche zusammenfällt. Zwar hat die Landesbank Baden-Württemberg eine Studie veröffentlicht, in der die 30 wichtigsten deutschen Standardwerke in den letzten 42 Jahren betrachtet wurden. Dabei fand die Landesbank heraus, dass die Monate September und Mai die zwei schlechtesten Monate für den DAX sind. Das muss aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein, denn es gibt immer wieder Ausnahmen. Dazu kommt, dass Pfizer nicht am DAX notiert ist.

„Timing ist alles“

Novartis und Glaxo-Smithkline haben als Erste ein großes Tauschgeschäft abgeschlossen. Novartis erhält die Sparte mit den Krebsmedikamenten, und im Gegenzug erhält Glaxo die Impfsparte. Im Paket inbegriffen ist ein Gemeinschaftsunternehmen für rezeptfreie Medikamente. Das Joint Venture wird zu einem bedeutenden internationalen Spieler bei nicht verschreibungspflichtigen Mitteln.

Im Rahmen des Konzernumbaus von Novartis wird noch eine weitere Firma beteiligt. Der US-Konzern Eli Lilly kauft den Schweizern den Bereich Tiergesundheit ab.

Für Novartis, Glaxo und Eli Lilly gilt dasselbe wie für Pfizer. Es bleibt abzuwarten, welche Bereicherungen sich für die jeweiligen Konzerne ergeben.  Die Unternehmen können sich aufgrund der Tauschgeschäfte und Umstrukturierungen mehr auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Das Resultat könnten auch hier neue Produkte sein. Aufgrund der Kooperationen lassen sich die Kosten für Forschung und Produktion senken. Dies führt wieder zu einer Steigerung des Gewinns.

Diese drei Pharmakonzerne waren Vorreiter des Übernahmekampfes. Bei Zu- oder Verkäufen von Aktien spielt das Timing ebenfalls eine große Rolle. Es lässt sich jedoch nicht sagen, wann das Timing perfekt ist. Niemand kann genau bestimmen, wann ein neues Produkt auf den Markt eingeführt wird und welche neuen Geschäfte abgewickelt werden. Auch genaue Zahlen sind bis zur Veröffentlichung meist unbekannt. Das richtige Timing setzt gute Kenntnisse des Marktes voraus. Erwischt ein Aktionär jedoch den perfekten Zeitpunkt, kann er sich auf hohe Renditen freuen.

„The Trend is your friend“

Bayer geht ebenfalls mit dem Trend mit und hat bereits sein Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten ausgebaut. Sie kauften erst kürzlich die Sparte von US-Pharmariese Merck. Aufgrund des Zukaufs von rezeptfreien Medikamenten ist Bayer auf dem Weg, Marktführer in diesem Segment zu werden.

Hinzu kommt ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem finnischen Pharmaunternehmen Orion. Die beiden Unternehmen wollen zusammen eine Tablette gegen Prostatakrebs entwickeln.

Bei Bayer ist es ebenfalls ähnlich zu betrachten, wie bei den zwei vorherigen Beispielen. Schafft Bayer den Sprung auf den Thron im Segment rezeptfreier Medikamente, würde das einen Aufschwung der Aktien mit sich bringen. Die Stellung auf dem Markt spiegelt sich in Absatz, Umsatz und Gewinn wider. Auch ein mögliches neues Medikament ließe einen stabilen Umsatz über die nächsten Jahre absichern.

Projiziert sich auch ein Trend in den Aktien nieder? Es bleibt abzuwarten, ob die Kurse über einen längeren Zeitraum ansteigen. Wenn dies allerdings der Fall ist, trifft die Weisheit vollkommen zu. Denn ein positiver Trend erfreut jeden Anleger und führt zu mehr Kapital. Das große Problem: Niemand weiß, wann das Ende eines Trends erreicht ist.

„Beim Denken ans Vermögen leidet oft das Denkvermögen“

US-Konzern Mylan ist ebenfalls auf Übernahmekurs. Der Generikahersteller hat den schwedischen Arzneimittelhersteller Meda ins Visier genommen. Die Schweden lehnten jedoch das Angebot von Mylan ab. Sie sind der Meinung, ein starkes Potenzial als Eigenunternehmen zu besitzen.

Falls Meda Recht behält und sie weiter wachsen, sind das beste Voraussetzungen für Anleger. Denn, wie wir wissen: Wachstum bringt mehr Absatz, mehr Umsatz und mehr Gewinn mit sich.

Medas Strategie könnte aber auch eine Fehlentscheidung sein. Denken die Schweden zu sehr an den eigenen Erfolg und fehlinterpretieren die Zahlen und die Prognosen, kann dies auch schwere Folgen haben. Das Unternehmen könnte sich dadurch  in Schwierigkeiten bringen und am Ende doch übernommen werden.

„Investiere beim Goldrausch nicht in Goldgräber, sondern in Schaufeln“

Valeant will für Allergan 53,8 Milliarden Dollar zahlen. Was den Pharmakonzern Allergan so wertvoll macht? Die Antwort ist ganz einfach: Botox. Das US-Unternehmen stellt das Nervengift her, das längst nicht mehr nur zum Wegspritzen von Falten benutzt wird. Botox ist zum Beispiel auch als Behandlungsmittel gegen Blasenschwäche zugelassen. Der kanadische Konzern Valeant ist einer der Aufsteiger der Pharmabranche. Es wird sogar über eine sogenannte feindliche Übernahme gesprochen.  Gleichzeitig verkauft Valeant seine Vermarktungsrechte für medizinische Hautpflege an Nestle.

Das kanadische Unternehmen machte schon durch einige Übernahmen in den letzten Jahren auf sich aufmerksam. Gelingt die nächste Übernahme, würde der Konzern wieder wachsen. Laut Valeant lassen sich auch die Kosten in der Forschung durch die Übernahme sparen. Das Unternehmen wäre dadurch noch effizienter. Dies würde wieder zur Steigerung unserer altbekannten Faktoren Absatz, Umsatz und Gewinn führen.

Die Frage, die sich mir jetzt nur noch aufdrängt: Ist Allergan jetzt eine Schaufel oder ein Goldgräber?

Darüber lässt sich streiten. Ich sehe das US-Unternehmen eher als Schaufel.  Das Unternehmen dient der Produktion von Botox. Somit ist Allergan ein Zwischenspieler zwischen Mensch und dem „Rohstoff“. Der Pharmakonzern wird genutzt, um an Botox zu gelangen, wie eine Schaufel. In das Pharmaunternehmen lässt sich auch investieren und ist beständiger als ein „Goldgräber“.

Die Übernahme wäre aber so oder so ein guter Schachzug. Die Nachfrage nach dem Nervengift ist hoch. Viele Pharmaunternehmen werden sehr wahrscheinlich Botox als Medikament nutzen. Dem kommt Valeant zuvor und kauft einen Hersteller dieses Giftes.  Dadurch könnte das Pharmaunternehmen seine Konkurrenten dazu bringen, das Nervengift bei sich einzukaufen.

„Ein Schnäppchen mit Aktien verhält sich zur Geldanlage, wie ein Stück Sahnetorte zur gesunden Ernährung“

Roche übernimmt Gena. Der auf DNA-Sequenzierung spezialisierte Konzern Gena Technologies ist vergleichsweise zu den anderen Übernahmen ein Schnäppchen. Der Schweizer Konzern zahlt „nur“ 350 Millionen Dollar für Gena. Die firmeneigene Technologie von Gena habe, laut Roche, das Potenzial, die Kosten für die Sequenzierung bei gleichzeitiger Verbesserung der Geschwindigkeit und Empfindlichkeit zu senken.

Die Übernahme des US-Pharmakonzerns ist ein weiterer Schritt für Roche, eine neue Technologie auf den Markt zu bringen. Schaffen die beiden Unternehmen einen neuen Durchbruch in der Gensequenzierung könnte dies eine neue Revolution bei Behandlungen einleiten.  Für Aktionäre wäre dies die Kirsche auf der Sahnetorte. Die Aktien sowie der Gewinn könnten aufgrund von Neuerungen weit nach oben steigen.

Ob die Aktie ebenfalls ein Schnäppchen ist, kann ich im Moment schwer beurteilen.  Anhand des aktuellen Kurses und Preises lässt sich das nicht so einfach sagen. Es kommt ganz auf die Steigerungsrate der Aktien an. Je höher die Steigerungsrate, desto ein größeres Schnäppchen wäre die Aktie gewesen. Steigert sich die Aktie enorm, war sie eventuell doch sehr günstg. Manchmal ist es eben auch mal gesund, eine Sahnetorte zu essen.

 „Risiko entsteht nur dann, wenn Anleger nicht wissen, was sie tun“

Diese Weisheit ist meiner Meinung nach die wichtigste und zugleich mein Fazit. Wenn Anleger nicht wissen, was sie tun, kann dies fatale Folgen haben. Es hilft einem oft das ganze Wissen nicht, wenn man sich keine Strategie zurechtgelegt hat. Gerade an der Börse ist dies besonders zu beachten. Ein Aktionär sollte sich seiner Handlung immer bewusst sein und auf sein eigenes Wissen und Können vertrauen.

Die Weisheiten selbst sind nicht immer hilfreich. Sie können einem Aktionär kleine Tipps geben, dienen aber nicht als Ratgeber. Die Weisheiten zusammen bilden schon eher ein grobes Konzept. Doch das eigene Wissen, die eigenen Erfahrungen und eine gute und persönliche Beratung durch Wertpapier-Experten sind durch nichts zu ersetzen.

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